MicroRNA-371a-3p zur Vorhersage der Histologie von Residuen nach Chemotherapie des Hodenkarzinoms
TESTIS CANCER Hamburg – Die Heilungsrate des Keimzelltumors des Hodens (Germ Cell Tumour, GCT) liegt derzeit bei über 90%, und es besteht ein breiter internationaler Konsens über die Therapie mit nur geringen Variationen innerhalb der Leitlinien. Ein verbesserungsbedürftiger Bereich in der Behandlung des GCT ist das Management von postchemotherapeutischen (PC) Residualtumoren beim metastasierten GCT. Beim nicht-seminomatösen GCT (NSGCT) bestehen PC-Residualtumoren zu etwa 50% aus Nekrose/Fibrose (NF), zu 30 bis 40% aus Teratom (TE) und zu 10 bis 20% aus vitalem Krebs (VC). Die chirurgische Resektion von Tumoren, die aus VC oder TE bestehen, ist für die Heilung unerlässlich. Tumoren, die aus NF bestehen, könnten im Prinzip nur durch Überwachung behandelt werden. Allerdings gibt es derzeit kein diagnostisches Werkzeug, das die Histologie von Residualmassen korrekt vorhersagen kann, so dass beim NSGCT die Resektion aller PC-Residualtumoren (> 1cm) empfohlen wird. Die Resektion von PC-Massen stellt jedoch einen grossen chirurgischen Eingriff mit einem erheblichen Komplikationsrisiko dar. Daher besteht ein Bedarf an einem Werkzeug zur Risikostratifizierung bzw. Typisierung von PC-Massen. Ein solches Tool könnte der Biomarker M317 (microRNA-371a-3p) sein. Die hier vorgestellte Studie von Klaus-Peter Dieckmann von der Asklepios Klinik Altona in Hamburg und weiteren Kollegen aus Deutschland untersucht den Nutzen von M371 zur Identifizierung von vitalem Karzinom in PC-Residualtumoren beim GCT mit dem Ziel, eine Übertherapie zu vermeiden. In die multizentrische, prospektive Studie wurden insgesamt 180 Patienten mit PC-Massen > 1cm eingeschlossen. Die Sensitivität von M371 betrug 68,9%, die Spezifität 99,3%, die Fläche unter der Kurve 0,813, der positive prädiktive Wert 0,969 und der negative prädiktive Wert 0,905. Die Autoren berichten in der elektronischen Vorabpublikation im Mai 2024 beim Fachjournal EUROPEAN UROLOGY FOCUS, dass die Sensitivität signifikant vom Anteil des VC in der PC-Masse abhing. In Proben mit ≤ 10% VC wurden bei 33,3% erhöhte M371-Werte festgestellt, im Vergleich zu 85,7% in Proben mit > 50% VC. Teratome und somatische Malignome exprimierten kein M371. (fa)
Autoren: Dieckmann KP, Grobelny F, Soave A, Che Y, Nestler T, Matthies C, Heinzelbecker J, Winter A, Heidenreich A, Niemzok T, Dumlupinar C, Angerer M, Wülfing C, Paffenholz P, Belge G. Korrespondenz: Gazanfer Belge, Department of Tumour Genetics, Faculty of Biology and Chemistry, University of Bremen, Leobener Strasse 2/FVG, 28359 Bremen, Germany. E-Mail: belge@uni-bremen.de Studie: Serum Levels of MicroRNA-371a-3p for Predicting the Histology of Postchemotherapy Residual Masses of Germ Cell Tumours. Quelle: Eur Urol Focus. 2024 May 9:S2405-4569(24)00064-6. doi: 10.1016/j.euf.2024.05.002. Epub ahead of print. PMID: 38729824. Web: https://www.eu-focus.europeanurology.com/article/S2405-4569(24)00064-6/fulltext
KOMMENTAR Die Detektion von vitalem Krebs in postchemotherapeutischen Residualtumoren mit dem M371-Test gelang bei 68,9% der Patienten mit VC. Allerdings zeigte sich eine Abhängigkeit vom VC-Anteil in der PC-Masse, insbesondere Fälle mit < 10% VC können mit M371 möglicherweise nicht diagnostiziert werden. Aufgrund der fehlenden Expression von M371 in Teratomen ist deren Detektion nicht möglich. Daher kann M371 nicht als alleiniges Stratifizierungstool für die Chirurgie der Residualtumoren verwendet werden. Möglicherweise kann dies in Zukunft durch die Kombination des M371-Tests mit neuen bildgebenden Verfahren wie der Radiomics erreicht werden.
Autor: Dr. med. Fabian Aschwanden, Assistenzarzt Luzerner Kantonsspital