Medizinischer, individueller und ökonomischer Nutzen von Mitgefühl im Gesundheitswesen
MISCELLANEOUS Boston – Oft wird beklagt, dass in der modernen Medizin durch die zunehmende Technisierung die Wahrnehmung des kranken Menschen und das Mitgefühl für den Patienten in den Hintergrund treten. Die US-amerikanischen Forscher Ines Lains, Taylor J. Johnson und Mark W. Johnson von den Universitäten in Boston, Salt Lake City und Ann Arbor fassen in einem Review die wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammen, ob Mitgefühl die Patientenergebnisse, die Qualität und Sicherheit der Gesundheitsversorgung sowie das Wohlbefinden des Gesundheitspersonals messbar verbessern kann. Darüber hinaus reflektieren sie über spezifische Strategien zur Kultivierung von Mitgefühl und zur besseren Vermittlung von Mitgefühl an Patienten. Die Literatur zum Thema Mitgefühl im Gesundheitswesen wurde selektiv gesichtet, einschliesslich der Hindernisse, die dem Ausdruck von Mitgefühl im Wege stehen, und der nachgewiesenen Auswirkungen des Mitgefühls von Mitarbeitenden auf die Patientenergebnisse, die Qualität und die Kosten der Gesundheitsversorgung sowie auf das Wohlbefinden der Mitarbeitenden. Es wurden auch Belege für die Trainierbarkeit von Mitgefühl, bewährte Methoden zur Kultivierung individuellen Mitgefühls und und empfohlene Strategien zur Integration von Mitgefühl in die medizinische Routinepraxis berücksichtigt. Mitgefühl ist die emotionale Reaktion auf den Schmerz oder das Leiden eines anderen, begleitet von dem Wunsch, es zu lindern. Die Durchsicht der Fachliteratur zeigt, dass eine mitfühlende Gesundheitsversorgung die physischen und psychischen Ergebnisse der Patienten messbar verbessert, die Therapietreue der Patienten erhöht, die Qualität und Sicherheit der Gesundheitsversorgung verbessert, den finanziellen Spielraum erhöht und einem Burnout bei Ärzten vorbeugt. Psychophysiologische Untersuchungen zeigen, dass Empathie und Mitgefühl durch bewusstes Üben aktiv gefördert werden können. Validierte Modelle mitgefühlsbasierter Interaktionen können den konsequenten Ausdruck von Mitgefühl in der täglichen medizinischen Praxis erleichtern. Wie die Autoren in der März-Ausgabe 2024 des AMERICAN JOURNAL OF OPHTHALMOLOGY darlegen, sollte Mitgefühl angesichts der vielen nachgewiesenen Vorteile für Patienten, Gesundheitsorganisationen und Beschäftigte im Gesundheitswesen von Gesundheitsdienstleistern und -systemen gefördert und als wesentlicher Bestandteil einer optimalen medizinischen Versorgung angesehen werden. (bs)
Autoren: Lains I, Johnson TJ, Johnson MW. Korrespondenz: Mark W. Johnson, W.K. Kellogg Eye Center, 1000 Wall St, Ann Arbor, MI 48105, USA. E-Mail: markwj@umich.edu Studie: Compassionomics: The Science and Practice of Caring. Quelle: Am J Ophthalmol. 2024 Mar;259:15-24. doi: 10.1016/j.ajo.2023.10.006. Epub 2023 Nov 2. PMID: 37923101. Web: https://www.ajo.com/article/S0002-9394(23)00430-0/abstract