Kein signifikanter Zusammenhang zwischen verzögerter Prostatektomie und klinischem Outcome sowie Tod auch bei mittlerem und hohem Risiskograd
PROSTATE CANCER Durham – Die Sicherheit der verzögerten Behandlung des low-risk Prostatakarzinomes ist bekannt und in der wissenschaftlichen Gemeinschaft weithin akzeptiert. Im Hinblick auf das intermediate-risk und high-risk Prostatakarzinom präsentiert sich die Situation anders. Vorhandene Literatur charakterisiert sich vor allem durch kurze Nachbeobachtungszeiträume ohne nennenswerte Assoziation zu klinisch relevanten Outcomes wie beispielsweise der Gesamtüberlebensdauer. Insbesondere durch die COVID-19-Pandemie und die dadurch bedingten Einflüsse auf das Gesundheitswesen hat die Frage hinsichtlich der Sicherheit eines Behandlungsverzuges beim Prostatakarzinom wieder an Aktualität gewonnen. Die vorgestellte Studie von Maggie C. Lee aus der Section of Urology des Durham VA Health Care System im Bundesstaat North Carolina und weiterer US-amerikanischer Forscher wertete die Daten von 3.962 Männern mit einem intermediate oder high-risk Prostatakarzinomes aus, welche zwischen 1988 und 2018 einer Prostatektomie unterzogen wurden. Dabei untersuchten die Autoren die Zeit beziehungsweise Zusammenhänge zwischen der bioptischen Diagnosestellung, der Prostatektomie, welche mit bis maximal einem Jahr Verzögerung durchgeführt wurde, sowie dem Auftreten von kastrationsresistentem Prostatakrebs (CRPC), Metastasen und generell Mortalität. Von den 3.962 Männer wiesen 63% ein intermediäres und 37% ein high-risk Prostatakarzinom auf. Die Zeit zwischen Biopsie und der Intervention betrug im Median 2,9 Monate in der high-risk und 3,2 Monate in der intermediate-risk Gruppe. Der mediane Nachbeobachtungszeitraum betrug 88 Monate, 167 Patienten entwickelten ein CRPC, 248 entwickelten eine Metastasierung und 884 starben, wobei diese Zahl die Gesamtmortalität darstellt und nicht die krebsspezifische Mortalität. Paradoxerweise bestand eine umgekehrte Assoziation zwischen der Zeitdauer bis zur Prostatektomie und dem Risiko des Auftretens eines CRPC (HR 0,88; 95% KI 0,89 – 0,98; p = 0,02), welche die Autoren im Rahmen eines Selection Bias interpretieren. In der März-Ausgabe 2022 des JOURNAL OF UROLOGY schreiben die Autoren, dass ein signifikanter Zusammenhang, unabhängig der Risikogruppe, zwischen Therapieverzögerung und dem Auftreten von Metastasen oder Tod nicht aufgezeigt werden konnte. (fa)
Autoren: Lee MC, Erickson TR, Stock S, Howard LE, De Hoedt AM, Amling CL, Aronson WJ, Cooperberg MR, Kane CJ, Terris MK, Klaassen Z, Freedland SJ, Wallis CJD. Korrespondenz: Christopher J. D. Wallis, Division of Urology, Mount Sinai Hospital, 60 Murray St., Koffler Center, 6th Floor, Toronto, Ontario M5G 3L9, Canada. E-Mail: wallis.cjd@gmail.com Studie: Association between Delay to Radical Prostatectomy and Clinically Meaningful Outcomes among Patients with Intermediate and High-Risk Localized Prostate Cancer. Quelle: J Urol. 2022 Mar;207(3):592-600. doi: 10.1097/JU.0000000000002304. Epub 2021 Oct 25. PMID: 34694910. Web: https://www.auajournals.org/doi/10.1097/JU.0000000000002304
KOMMENTAR Ähnlich wie bei beim low-risk Prostatakarzinom scheint sich die Situation auch in der intermediate und high-risk Gruppen zu präsentieren. Eine Verzögerung der Intervention von maximal einem Jahr scheint die onkologischen Langzeitergebnisse nicht negativ zu beeinflussen. Inwiefern eine Verzögerung Einfluss auf funktionelle Resultate hat, wurde in der Studie nicht untersucht und bleibt offen. Die Studie kann als Hilfe in der Patientenberatung beigezogen werden.
Autor: Dr. med. Fabian Aschwanden, Assistenzarzt Luzerner Kantonsspital