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Fachverlag und Nachrichtenagentur

Ein Update zum Post-Orgasmic-Illness-Syndrom

ANDROLOGY Miami – John Zizzo et al. vom Desai Sethi Urological Institute der University of Miami, Vereinigte Staaten, legen ein Update zum Post-Orgasmic-Illness-Syndrome (POIS) vor. Das Syndrom wurde erstmals 2002 beschrieben, ausgehend von zwei Fallberichten von Männern, die über grippeähnliche Symptome begleitet von Müdigkeit und Myalgie nach Ejakulation berichteten. Auf diese Symptome folgten kognitive Störungen sowie Stimmungsschwankungen, die bis zu sieben Tage anhielten. Die dem POIS zugrundeliegenden pathophysiologischen Mechanismen sind bis heute unklar, postuliert wurden eine immunologische Hypersensitivität und eine sympathogene Dysregulation. Trotz Fortschritten in Diagnostik und Therapie bleibt das POIS eine vermutlich häufig übersehene Erkrankung. Die Erstbeschreiber des POIS postulierten eine immunologische Hypersensitivitätsreaktion, induziert durch Kontakt von seminalen Peptide mit T-Lymphozyten während der Ejakulation. Diese mittels Haut-Prick-Test aufgestellte Hypothese konnte in weiteren Studien nicht bestätigt werden, in denen keine IgE-vermittelte Spermaallergie nachgewiesen werden konnte. Aufgrund der Symptomatik, die der eines Opiatentzuges ähnelt, wurde eine Beteiligung endogener u-Rezeptoren vermutet. Weitere Thesen gehen von einem Testosteronmangel als Ursache aus, insbesondere da durch Testosteronsubstitution eine Beschwerdebesserung festgestellt werden konnte. Trotz zahlreicher Studien ist der genaue Pathomechanismus weiterhin unklar. Grob kann das Krankheitsbild in zwei Gruppen eingeteilt werden. Eine primäre Form, bei der die Symptomatik mit Aufnahme der sexuellen Aktivität auftritt und eine sekundäre Form mit verzögerter Erstsymptomatik. Die Verteilung ist hierbei etwa 50:50. Zur Diagnostik wurden fünf Kriterien vorgeschlagen: 1: Mindestens eines der folgenden Symptome: grippeähnliches Gefühl, extreme Fatigue oder Erschöpfung, Muskelschwäche, Fiebergefühl, Stimmungsschwankungen oder leichte Reizbarkeit, Gedächtnis- oder Konzentrationsprobleme, undeutliche Sprache, Verstopfung der oberen Atemwege, juckende Augen. 2: Symptomauftritt spätestens einige Stunden nach Ejakulation. 3: Symptome bei > 90% der Ejakulationen. 4: Symptomdauer über zwei bis sieben Tage. 5: Spontane Symptomrückbildung. Diese Symptome treten dabei häufig in charakteristischen Clustern auf. Die Diagnosestellung des POIS gestaltet sich oft kompliziert und bleibt häufig eine Ausschlussdiagnose. Bei Verdacht sollte zum Ausschluss einer anderweitigen Ursache eine Laboruntersuchung inklusive Testosteron, LH und FSH sowie eine Urinuntersuchung erfolgen. Der Prick-Test ist das wahrscheinlich das am häufigsten verwendete diagnostische Mittel, mit hoher Sensitivität und Spezifität gemäss verschiedener Studien. Therapieempfehlungen gibt es kaum, so dass die Therapie häufig auf der klinischen Erfahrung des behandelnden Arztes beruht und symptomorientiert erfolgen sollte. Versuche mit Antihistaminika, Kortikosteroiden, Benzodiazepinen, ssRIs und Androgenrezeptor-Antagonisten verliefen enttäuschend. Wie die Autoren in der Januarausgabe 2023 des Fachjournals EUROPEAN UROLOGY FOCUS berichten, konnten Studien mit sehr kleinen Patientenzahlen eine Verbesserung durch Silodosin (57%) aufzeigen. Bei einem Patienten mit vorbestehendem Hypogonadismus konnte eine vollständige Symptomregredienz durch Verabreichung von β-HCG erreicht werden. Nach einer Hyposensibilisierung, durchgeführt an zwei Patienten, wurde ein Beschwerderückgang von 90% bzw. 60% berichtetet. (fa)

Autoren: Zizzo J, F Sávio L, Ramasamy R, F N Lima T. Korrespondenz: Thiago F. N. Lima, Desai Sethi Urological Institute, Miller School of Medicine, University of Miami, 1120 NW 14th Street, Miami, FL 33136, USA. E-Mail: thiagofernandesnl@gmail.com Studie: Postorgasmic Illness Syndrome: An Update. Quelle: Eur Urol Focus. 2023 Jan;9(1):22-24. doi: 10.1016/j.euf.2022.09.016. Epub 2022 Oct 22. PMID: 36283946. Web: https://www.eu-focus.europeanurology.com/article/S2405-4569(22)00223-1/fulltext

KOMMENTAR Das POIS bleibt ein seltener und wahrscheinlich doch unterdiagnostizierter Symptomkomplex. Laut Orphanet liegt die Prävalenz bei < 1/1.000.000. Die meisten Studien zur Therapie sind aufgrund geringer Patientenzahlen und fehlender Vergleichsgruppe von geringer wissenschaftlicher Evidenz.

Autor: Dr. med. Fabian Aschwanden, Assistenzarzt Luzerner Kantonsspital