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Fachverlag und Nachrichtenagentur

Bedeutung einer prophylaktischen Prostatektomie als Primärprävention bei Trägern von Hochrisikomutationen

PROSTATE CANCER Toronto – Weltweit erkranken jährlich circa 1.100.000 Männer an einem Prostatakarzinom. Die Zahl der durch Prostatakarzinom bedingten Todesfälle ist jedoch ungleich geringer (307.000). Dies ist unter anderem bedingt durch die ungleiche biologische Malignität des Prostatakarzinoms. Zur Einleitung einer zeitnahen Therapie auf der einen Seite und zur Verhinderung von Übertherapie auf der anderen ist die Identifikation von Patienten mit einem hohen Progressionsrisiko wichtig. Die Autoren Raj Tiwari, Roderick Clark und Neil Fleshner aus der Division of Urology der University of Toronto, Ontario, in Kanada legen dar, dass in den letzten Jahren verschiedene Genmutationen identifiziert wurden, welche mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten eines Prostatakarzinoms sowie Progress und prostatakarzinom-bedingter Mortalität vergesellschaftet sind. Solche Genmutationen können in 4,6% der Patienten mit lokalisiertem Prostatakarzinom und 11,8% der Patienten mit metastasiertem Prostatakarzinom nachgewiesen werden. Die betroffenen Gene sind in DNA-Reparaturprozesse (beispielsweise BRCA 1/2) oder Androgen-Signalisations-Pathways involviert. Das Vorhandensein einer solchen Mutation ist mit früherem Krankheitsbeginn, erhöhtem Progress- bzw. Todesrisiko, verminderter Überlebensdauer (5 vs. 16 Jahre) und vermindertem krebsspezifischen Überleben (5 Jahre CSS 82% vs. 96%) verbunden. Das Risiko der Metastasierung ist in BRCA2-Trägern 26-mal höher als in Nichtträgern. Aufgrund der Aggressivität der Prostatakrebserkrankung bei Vorliegen einer Genmutation kommt der Primärprävention eine wichtige Rolle zu. Medikamentöse Therapieversuche haben hierzu keine zufriedenstellenden Ergebnisse erbracht. Das Konzept der chirurgischen Primärprophylaxe ist in der Literatur etabliert im Bereich des Brust- sowie Ovarialkarzinoms bei Trägerinnen von Hochrisikomutationen. Aktuelle Studien, welche zu Screeningzwecken MRI und PSA kombinierten, legen den Schluss nahe, dass das alleinige PSA-Screening in jungen Trägern von Risikomutationen ungenügend sein könnte. Weiter zeigte sich in Trägern von Hochrisikomutationen, deren Diagnose mittels PSA-Screening erfolgte, ein geringeres Überleben nach Radikaltherapie im Vergleich zu Nichtmutationsträgern. Nebst schlechterem onkologischem Outcome ist auch ein schlechteres funktionelles Outcome, bedingt durch häufigeres Unterlassen der Nervenschonung bzw. Nachbestrahlung aufgrund der onkologischen Gegebenheit bei aggressiverer, fortgeschrittenerer Krebserkrankung, bei Mutationsträgern denkbar. In dem Falle würde eine prophylaktische Prostatektomie die längerfristige Morbidität und Mortalität reduzieren. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte gehen die Autoren in der im September 2022 beim Fachjournal CURRENT OPINION in UROLOGY veröffentlichten Arbeit davon aus, dass sich betroffene Patienten nach ausführlicher Aufklärung für eine präventive Prostatektomie entscheiden könnten. (fa)

Autoren: Tiwari R, Clark R, Fleshner N. Korrespondenz: Dr Raj Tiwari, Clinical Fellow, Division of Urology, University of Toronto, Level 6, Urology Offices, 700 University Avenue, Toronto, ON M5G 1Z5, Canada. E-Mail: raj.tiwari@uhn.ca Studie: The role of prophylactic prostatectomy as a primary prevention strategy in high-risk germline mutation carriers. Quelle: Curr Opin Urol. 2022 Sep 1;32(5):445-450. doi: 10.1097/MOU.0000000000001019. Epub 2022 Jul 18. PMID: 35855558. Web: https://journals.lww.com/co-urology/Abstract/2022/09000/The_role_of_prophylactic_prostatectomy_as_a.3.aspx

KOMMENTAR Bevor sich die prophylaktische Prostatektomie, welche aktuell nur im Rahmen von Studien durchgeführt wird, in Mutationsträgern gegebenenfalls als Therapieverfahren etablieren kann, sind weitere wissenschaftliche Untersuchungen nötig und offene Fragen zu klären. Nebst vieler offener praktischer und ethischer Aspekte gibt es beispielsweise seitens EAU und AUA noch keine Kriterien, wer sich, insofern nicht von einem Prostatakarzinom betroffen, einem Mutationsscreening unterziehen sollte.

Autor: Dr. med. Fabian Aschwanden, Assistenzarzt Luzerner Kantonsspital