Non-inferiority-Studie zur Kombination Stockholm-3-Test mit gezielter MRI-Fusionsbiopsie gegenüber PSA-Test und systematischer Biopsie
PROSTATE CANCER Stockholm – Das Ziel dieses schwedischen STHLM3-MRI non-inferiority-Trials war der Vergleich eines herkömmlichen Prostatakarzinom-Screening-Ansatzes (PSA und systematische Biopsie) versus einer blutbasierten Risikovorhersage (Stockholm-3-Test) in Kombination mit MRI-Fusionsbiopsien. Tobias Nordström aus dem Department of Medical Epidemiology and Biostatistics am Karolinska Institutet in Stockholm, Schweden, und Kollegen führten die offen randomisierte Studie in Stockholm durch. Eingeladen wurden 49.118 Männer im Alter zwischen 50 und 74 Jahren. Diejenigen mit einem erhöhten Prostatakrebsrisiko, definiert als entweder ein PSA-Wert von 3 ng/ml oder höher oder ein Stockholm-3-Score von 0,11 oder höher, kamen für die Randomisierung in Frage. Die Referenzgruppe erhielt systematische Prostatabiopsien, und die Versuchsgruppe erhielt ein biparametrisches MRI (1,5 und 3 Tesla) gefolgt von einer MRI-Fusionsbiopsie und systematische Biopsie, sofern radiologisch auffällige Befunde vorlagen (PIRADS 3-5). Nur bei einem Stockholm-3-Wert von ≥ 0,25 wurde eine systematische Biopsie angeboten. Der primäre Endpunkt war die Diagnose von klinisch signifikantem Prostatakrebs bei der Prostatabiopsie, definiert als ein Gleason Score von 3 + 4 oder höher. Zur Bewertung der non-inferiority für das primäre Ergebnis wurde ein Cut-Off von 0,78 verwendet. Sekundäre Endpunkte waren der Anteil der Männer mit klinisch nicht signifikantem Prostatakrebs (definiert als Gleason Score von 3 + 3) und die Anzahl der durchgeführten Prostata-MRI- und Biopsieverfahren. Für die Analyse wurden schliesslich zwei Vergleiche durchgeführt: (1) Stockholm-3 (mit Cut-Offs von 0,11 und 0,15 als Grenzwerte) vs. PSA in der Versuchsgruppe (gepaarte Analysen) und (2) PSA in Kombination mit einer systematischen Biopsie, versus Stockholm-3 in Kombination mit MRI-Fusionsbiopsien und systematischen Biopsien (ungepaarte, randomisierte Analyse). 12.750 Männer nahmen teil. Davon wurden 2.293 Personen mit erhöhtem Prostatakarzinomrisiko (PSA von 3 ng/ml oder höher, oder Stockhom-3 von 0,11 oder höher) zwischen Versuchsgruppe (n =1.372) oder der Referenzgruppe (n = 921) randomisiert. Die Fläche unter der ROC (receiver operating curve) für die Detektion von klinisch signifikantem Prostatakarzinom war 0,76 (95% Konfidenzintervall [KI] 0,72 bis 0,80) für Stockholm-3 und 0,60 (95% KI 0,54 bis 0,65) für PSA. In der Versuchsgruppe war ein Stockholm-3-Wert von 0,11 oder höher nicht schlechter als ein PSA-Wert von 3 ng/ml oder höher, bezugnehmend auf die Detektion eines klinisch signifikanten Prostatakarzinoms (227 vs. 192; Relative Proportion [RP] 1,18 [95% KI 1,09 bis 1,28]; p < 0,0001 für non-inferiority) und detektierte auch eine ähnliche Anzahl von klinisch nicht signifikanten Prostatakarzinomen wie das PSA (n = 50 vs. 41; RP 1,22 [95% KI 0,96 bis 1,55]; p = 0,053 für superiority) und war mit mehr MRIs und Biopsien verbunden. Im Vergleich zu einem PSA-Wert von 3 ng/ml oder höher zeigte ein Stockholm-3-Wert von 0,15 oder höher die gleiche Sensitivität für die Erkennung von klinisch signifikantem Prostatakarzinom und führte insgesamt zu weniger MRI-Untersuchungen (n = 545 vs 846; RP 0,64 [95% KI 0,55 bis 0,82]) und zu weniger Biopsien (311 vs. 338; RP 0,92 (95% KI 0,86 bis 1,03)). Im Vergleich zum Screening mit PSA und systematischen Biopsien war ein Stockholm-3-Wert von 0,11 oder höher in Kombination mit MRI-Fusionsbiopsien und systematischen Biopsien mit einer höheren Detektionsrate klinisch signifikanter Prostatakarzinome assoziiert (227 [3,0%] gegenüber 106 [2,1%] getestete Männer; RP 1,44 [95% KI 1,15 bis 1,81]). Zugleich waren weniger klinisch nicht signifikante Prostatakarzinome gefunden worden (50 [0,7%] vs 73 [1,4%]; RP 0,46 [95% KI 0,32 bis 0,66]) und es führte zu weniger Biopsien. Eine genauere Übersicht liefert die Tabelle (Tab 2).
Abschliessend hielten die Autoren in der Publikation im September 2021 beim Fachjournal LANCET ONCOLOGY fest, dass bei Patienten, die nach dem Zufallsprinzip der Versuchsgruppe zugewiesen wurden, weniger häufig Antibiotika wegen einer Infektion verschrieben wurden (25 [1,8%] von 1.372 gegenüber 41 [4,4%] von 921; p = 0,0002) und weniger Spital-Einweisungen (16 [1,2%] gegenüber 31 [3,4%]; p = 0,0003) stattfanden als in der Standardgruppe. (CW)
Autoren: Nordström T, Discacciati A, Bergman M, Clements M, Aly M, Annerstedt M, Glaessgen A, Carlsson S, Jäderling F, Eklund M, Grönberg H; STHLM3 study group. Korrespondenz: Dr Tobias Nordström, Department of Medical Epidemiology and Biostatistics, Karolinska Institutet, Stockholm S-171 77, Sweden. E-Mail: tobias.nordstrom@ki.se Studie: STHLM3 study group. Prostate cancer screening using a combination of risk-prediction, MRI, and targeted prostate biopsies (STHLM3-MRI): a prospective, population-based, randomised, open-label, non-inferiority trial. Quelle: Lancet Oncol. 2021 Sep;22(9):1240-1249. doi: 10.1016/S1470-2045(21)00348-X. Epub 2021 Aug 13. PMID: 34391509. Web: https://www.thelancet.com/journals/lanonc/article/PIIS1470-2045(21)00348-X/fulltext
Kommentar: Der Stockholm-3-Test kann, basierend auf dieser Studie, zur Risikostratifizierung bei der Prostatakrebs-Früherkennung beitragen. Die Kombination des Stockholm-3-Tests in Kombination mit einer gezielten MRI-Fusionsbiopsie könnte somit zu einer Verringerung der Rate an Überdiagnostik beitragen, ohne dabei ein erhöhtes Risiko zu haben, klinisch signifikante Prostatakarzinome zu übersehen. Leider beleuchtet der Referenzarm in dieser Studie eine Praxis, die nicht mehr leitliniengerecht ist, nämlich eine PSA-Bestimmung gefolgt von einer systematischen Biopsie, ohne vorher ein MRI durchgeführt zu haben. Darüber hinaus ist die Aussagekraft des Versuchsarms durch den Einfluss des biparametrischen MRI (vs. meistens multiparametisch in anderen Trials), welches zum Teil auch nur 1,5 Tesla hatte, verwässert. Zumindest kann aber in dieser sehr detaillierten Auflistung mit mehreren Vergleichsanalysen behauptet werden, dass Stockholm-3 mindestens gleich gut für die Risikostratifizierung geeignet ist wie der PSA-Test, und es deutet sich an, dass dieser Test unnötige MRI-Untersuchungen und Biopsien vermeiden könnte, was einerseits das Risiko der Überdiagnostik minimiert, aber auch dabei helfen könnte, Kosten im Gesundheitssystem einzusparen. Interessant wäre es nun, ein ähnliches Setting zu Prüfen wie im Göteborg-2 Trial (Stockholm-3 als Screeningtest mit den Cut-Offs 0,11 und 0,15, gefolgt von MRI-Target-Only-Biopsien vs. Target-Only und systematische Biopsien).
Autor: Dr. med. Christoph Würnschimmel, Oberarzt Luzerner Kantonsspital