Geringere Komplikationsraten bei Anwendung des ERAS-Protokolls nach Zystektomie
BLADDER CANCER Marseille – Enhanced recovery after surgery (ERAS) ist ein etabliertes Konzept, welches eine beschleunigte Erholung von Patienten nach Abdominaleingriffen zum Ziel hat. Dieses Konzept, welches ursprünglich aus der Viszeralchirurgie stammt, kommt nun auch immer mehr in der Urologie zum Tragen, insbesondere im Bereich grosser Uro-Onkologischer Eingriffe wie bei der Zystektomie. François Lannes et al. aus dem Institute Paoli Calmettes in Marseille, Frankreich, legen dazu diese monozentrische Studie vor, die ihre prospektiv geführte Zystektomie-Datenbank retrospektiv hinsichtlich eines Effektes des neu etablierten ERAS-Protokolls untersucht, welches ab Februar 2018 bei jedem Patienten angewandt wurde. Insgesamt wurde der Zeitraum zwischen Januar 2015 und Juli 2019 untersucht. Die untersuchten Variablen waren 90-Tage-Komplikationen und 90-Tage-Re-Hospitalisierungsraten. Insgesamt wurden 150 Patienten untersucht, von denen 74 ohne ERAS und 76 mit ERAS zystektomiert wurden. Es zeigte sich, dass ERAS signifikant die frühen Komplikationen, aber auch die 90-Tage Komplikationen reduziert (p = 0,039 beziehungsweise 0,012). Auch in multivariablen Analysen war ERAS ein unabhängiger Faktor für weniger frühe und 90-Tage Komplikationen (Odds Ratio 0,48 beziehungsweise 0,31), wobei nur letzteres statistisch signifikant war (p = 0,37 beziehungsweise p = 0,004). Hinsichtlich 90-Tage-Re Hospitalisierungsraten zeigte sich kein signifikanter Unterschied (p = 0,34). Auch zeigte sich kein Unterschied in der Hospitalisationsdauer zwischen ERAS und Non-ERAS (12,7 ± 6,2 beziehungsweise 13,1 ± 5,7 Tage; p = 0,743). (cw)
Autoren: Lannes F, Walz J, Maubon T, Rybikowski S, Fakhfakh S, Picini M, Tourret M, Brun C, Gravis G, Pignot G. Korrespondenz: François Lannes, Department of Oncologic Surgery 2, Institute Paoli Calmettes, Marseille, France. E-Mail: francoislannes@hotmail.fr Studie: Enhanced Recovery after Surgery for Radical Cystectomy Decreases Postoperative Complications at Different Times. Quelle: Urol Int. 2022;106(2):171-179. doi: 10.1159/000518163. Epub 2021 Sep 22. PMID: 34569540. Web: https://www.karger.com/Article/FullText/518163
KOMMENTAR Trotz lediglich monozentrischer Auswertung zeigt sich bereits ein Erfolg hinsichtlich geringerer Komplikationsraten bei Verwendung des ERAS-Protokolls. Die Zusammenlegung mehrerer grosser Datenbanken sollte der nächste Schritt sein, um validere Daten zu liefern. Diesbezüglich sind Ergebnisse der aktiven YAU (Young Academic Urologists) Gruppe „Urothelkarzinom“ zu erwarten, welche die Möglichkeiten besitzt, solche Auswertungen durchzuführen. Im klinischen Alltag ist zudem für die Zystektomie das ERAS-Protokoll nicht standardisiert und wohl von Institution zu Institution anders gehandhabt. Fachgremien wie die Schweizerische Gesellschaft für Urologie oder aber auch die Europäische Gesellschaft für Urologie sind angehalten, hier einen Konsens für die Zystektomie zu definieren.
Autor: Dr. med. Christoph Würnschimmel, Oberarzt Luzerner Kantonsspital