Risiko schwerwiegender Nebenwirkungen durch orale oder topische Carboanhydrasehemmer gering
GLAUCOMA Toronto – Einige Ophthalmologen sind möglicherweise zurückhaltend mit der Verschreibung von oralen Carboanhydrasehemmern, da potenziell lebensbedrohliche systemische Nebenwirkungen auftreten können. Am Department of Ophthalmology & Vision Sciences der University of Toronto, Kanada, führte Marko M. Popovic zusammen mit Kollegen aus weiteren verschiedenen Institutionen in Toronto eine populationsbasierte Analyse zur Sicherheit von oralen und topischen Carboanhydrasehemmern in der klinischen Versorgung durch. Die gematchte Längsschnitt-Kohortenstudie wurde im Bundesstaat Ontario durchgeführt. Aufeinanderfolgende Patienten über 65 Jahre, denen zwischen dem 1. Januar 1995 und dem 1. Januar 2020 in Ontario ein oraler oder topischer Carboanhydrasehemmer verschrieben worden war, wurden identifiziert. Die Patienten wurden 1:1 basierend auf Alter, Geschlecht und Diabetesstatus gematcht. Als Ausgangszeitpunkt wurde das Datum der ersten nachweislichen Verschreibung des Medikaments definiert. Die Primäranalyse konzentrierte sich auf die ersten 120 Tage der Nachbeobachtung. Der primäre Endpunkt war ein schweres, kompliziertes unerwünschtes Ereignis, entweder Stevens-Johnson-Syndrom, toxische epidermale Nekrolyse oder aplastische Anämie. Insgesamt 128.942 passende Patienten begannen während der 25-jährigen Studiendauer mit der Anwendung eines oralen oder topischen Carboanhydrasehemmers. Das mittlere Alter betrug 75 Jahre; 71.958 (55,8%) waren Frauen und bei 25.058 (19,4%) war ein Diabetes diagnostiziert. Die Gruppen mit oralen und topischen Carboanhydrasehemmern wiesen vergleichbare demografische Ausgangswerte auf. Patienten, denen ein oraler Carboanhydrasehemmer verschrieben wurde, hatten ein absolutes Risiko für ein schweres kompliziertes unerwünschtes Ereignis von 2,90 pro 1000 Patienten, während Patienten, denen ein topischer Carboanhydrasehemmer verschrieben wurde, ein absolutes Risiko von 2,08 pro 1000 Patienten hatten. Dieser Unterschied entsprach einem Risikoverhältnis von 1,40, mit einer „number needed to harm“ von 1.220 Patienten pro Fall (p = 0,003). Dieses allgemein geringe Risiko wurde in der multivariablen Regression repliziert, wobei Störfaktoren bereinigt wurden. Zusätzliche Risikofaktoren für ein schweres kompliziertes unerwünschtes Ereignis bei den Patienten waren mehr Komorbiditäten und häufigere Klinikkontakte. Die Autoren fassen in der März-Ausgabe 2022 des JAMA OPHTHALMOLOGY ihre Ergebnisse dahingehend zusammen, dass das Risiko einer schwerwiegenden Nebenwirkung nach der Verschreibung eines oralen oder topischen Carboanhydrasehemmers gering und zwischen den Anwendungsarten ähnlich war. Angesichts des geringen Risikos schwerer Nebenwirkungen unterstütze diese populationsbasierte Analyse, eine Zurückhaltung gegenüber der Verschreibung eines oralen Carboanhydrasehemmers zu überdenken. (bs)
Autoren: Popovic MM, Schlenker MB, Thiruchelvam D, Redelmeier DA. Korrespondenz: Marko M. Popovic, MD, Department of Ophthalmology & Vision Sciences, University of Toronto, Toronto, Ontario, Canada. Studie: Serious Adverse Events of Oral and Topical Carbonic Anhydrase Inhibitors. Quelle: JAMA Ophthalmol. 2022 Mar 1;140(3):235-242. doi: 10.1001/jamaophthalmol.2021.5977. PMID: 35084437; PMCID: PMC8796060. Web: https://jamanetwork.com/journals/jamaophthalmology/article-abstract/2788394