Cochrane Review: Auswirkung der Kantenform von IOLs auf die Entwicklung einer posterioren Kapseltrübung
CATARACT Wien – Eine Meta-Analyse nach Cochrane-Standards liefert Hinweise darauf, dass scharfkantige Intraokularlinsen wahrscheinlich mit einer geringeren Rate an posterioren Kapseltrübungen verbunden sind als abgerundete IOLs. Diese Daten trug ein Team um Sophie Maedel aus der Abteilung für Augenkrankheiten des Hanusch-Krankenhauses in Wien, Österreich, zusammen. Die posteriore Kapseltrübung (PCO) ist die häufigste postoperative Komplikation nach moderner Kataraktchirurgie mit Implantation einer Hinterkammer-Intraokularlinse (IOL). Die Hauptsymptome sind eine Abnahme der Sehschärfe, „trübes“, verschwommenes Sehen und eine verminderte Kontrastempfindlichkeit. Die PCO wird mit einem Neodym:YAG (Nd:YAG)-Laser behandelt, um eine kleine Öffnung in der undurchsichtigen Kapsel zu schaffen und eine klare zentrale Sehachse wiederherzustellen. Diese Kapsulotomie kann weitere okuläre Komplikationen wie einen erhöhten Augeninnendruck oder ein Makulaödem verursachen. Darüber hinaus ist dieses Verfahren auch eine erhebliche finanzielle Belastung für die Gesundheitssysteme weltweit. In den letzten Jahrzehnten gab es Fortschritte bei der Auswahl von IOL-Materialien und der Optimierung des IOL-Designs, um die PCO-Bildung nach Kataraktoperationen zu verhindern. Dazu gehören Änderungen an den Seitenstrukturen, die die Linse in der Mitte des Linsenkapselbeutels halten (IOL-Haptik), sowie des Designs der Optikkante. Ziel des Reviews war es, Auswirkungen verschiedener Designs der IOL-Optikkante auf PCO nach Kataraktoperation zu untersuchen. Dazu wurden CENTRAL, Ovid MEDLINE, Ovid Embase, Latin American and Caribbean Health Sciences Literature Database (LILACS), das ISRCTN-Register, ClinicalTrials.gov und die International Clinical Trials Registry Platform (ICTRP) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bis zum 17.11.2020 durchsucht. Dabei wurden randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) eingeschlossen, die verschiedene Arten von IOL-Optikkantendesigns verglichen. Als primärer Endpunkt wurde der Anteil der Augen mit Nd:YAG-Kapsulotomie ein Jahr nach der Operation festgelegt. Sekundäre Endpunkte umfassten den PCO-Score, den bestkorrigierten Fernvisus (BCDVA) und den Score für Lebensqualität nach einem Jahr. Aufgrund der Verfügbarkeit wichtiger Langzeitdaten wurden Daten auch bei längerfristigen Nachuntersuchungen berücksichtigt, was eine post-hoc-Änderung des Protokolls darstellte. Die von Cochrane erwarteten Standardmethoden und das GRADE-System wurden verwendet, um die Sicherheit der Evidenz zu beurteilen. Insgesamt wurden 10 Studien (1.065 Personen, 1.834 Augen) eingeschlossen, die scharfkantige und rundkantige IOLs verglichen. Acht dieser Studien waren In-Person-Studien, bei denen ein Auge eine scharfkantige IOL und das andere Auge eine rundkantige IOL erhielt. Acht dieser Arbeiten waren Studien innerhalb jeweils einer Person, bei denen ein Auge eine scharfkantige IOL und das andere eine rundkantige IOL erhielt. Bei den IOL-Materialien handelte es sich um Acryl (2 Studien), Silikon (4 Studien), Polymethylmethacrylat (PMMA, 3 Studien) und verschiedene Materialien (1 Studie). Die Studien wurden in Österreich, Deutschland, Indien, Japan, Schweden und Grossbritannien durchgeführt. Fünf Studien wiesen in mindestens einer Domäne ein hohes Bias-Risiko auf. Bei zwei Studien wurde das Bias-Risiko in allen Domänen als gering eingestuft. Es gab wenige Fälle von Nd:YAG-Kapsulotomie nach einem Jahr (primärer Endpunkt): 1/371 in scharfkantigen und 4/371 in rundkantigen Gruppen. Der Effektschätzer sprach für scharfkantige IOLs, aber die Konfidenzintervalle waren sehr weit und kompatibel mit einer höheren oder geringeren Wahrscheinlichkeit einer Nd:YAG-Kapsulotomie bei scharfkantigen im Vergleich zu rundkantigen Linsen (Peto Odds Ratio 0,30; 95% KI 0,05 – 1,74; 6 Studien, 742 Augen). Dieses entspricht sieben Fällen einer Nd:YAG-Kapsulotomie weniger pro 1.000 eingesetzten scharfkantigen im Vergleich zu rundkantigen IOLs (95% KI: 9 weniger bis 7 mehr). Somit wurde die Evidenz aufgrund der fehlenden Präzision des Schätzers und des Bias-Risikos als von geringer Qualität eingestuft. Ein ähnlich reduziertes Risiko für eine Nd:YAG-Kapsulotomie bei scharfkantigen IOLs im Vergleich zu Rundkanten-IOLs wurde nach zwei, drei und fünf Jahren beobachtet. Da die Anzahl der Nd:YAG-Kapsulotomie-Ereignisse mit längerer Nachbeobachtung anstieg, konnte dieser Effekt bei längerem Follow-up genauer bestimmt werden: zwei Jahre, Risk Ratio (RR) 0,35 (0,16 bis 0,80), 703 Augen (6 Studien), 89 weniger Fälle pro 1000; drei Jahre, RR 0,21 (0,11 bis 0,41), 538 Augen (6 Studien), 170 Fälle weniger pro 1000; fünf Jahre, RR 0,21 (0,10 bis 0,45), 306 Augen (4 Studien), 331 Fälle weniger pro 1000. Daten nach 9 und 12 Jahren lagen nur aus einer Studie vor. in allen Studien wurde ein PCO-Score erhoben. Vier Studien berichteten Ergebnisse des AQUA-Scores (Automated Quantification of After-Cataract), vier Studien nutzten den EPCO-Score (Evaluation of PCO) und zwei Studien setzten andere Methoden zur Quantifizierung von PCO ein. Es war aufgrund der Art der Ergebnispräsentationen nicht möglich, diese Daten zusammenzufassen, aber alle Studien berichteten durchweg über einen statistisch signifikant niedrigeren durchschnittlichen PCO-Score (in der Grössenordnung von 0,5 bis 3 Einheiten) bei scharfkantigen im Vergleich zu rundkantigen IOLs. Die Evidenz wurde hierzu aufgrund des Bias-Risikos auf mittlere Qualität herabgestuft. Der logMAR-Sehschärfe-Score war niedriger (besser) bei Augen, die eine scharfkantige IOL erhielten, aber der Unterschied war gering und nach einem Jahr wahrscheinlich klinisch unbedeutend (mittlerer Unterschied (MD) -0,06 logMAR, 2 Studien, 153 Augen; Evidenz von geringer Qualität). Ähnliche Effekte wurden bei längeren Nachbeobachtungszeiträumen beobachtet, aber nicht statistisch signifikante Daten wurden weniger vollständig berichtet: zwei Jahre MD -0,01 logMAR, 2 Studien, 311 Augen; drei Jahre MD -0,09 logMAR, 2 Studien, 117 Augen; Daten nach fünf Jahren nur aus einer Studie verfügbar. Keine der Studien berichtete über Lebensqualität. Mit einer Evidenz von sehr geringer Qualität deuteten sich zwischen den Gruppen bezüglich unerwünschter Ereignisse keine wesentlichen Unterschiede an. Wie die Autoren im August 2021 bei COCHRANE DATABASE OF SYSTEMATIC REVIEWS zusammenfassend berichten, liefert dieses Review Beweise dafür, dass scharfkantige IOLs wahrscheinlich mit einer geringeren PCO-Bildung verbunden sind als abgerundete IOLs, mit weniger Nd:YAG-Kapsulotomie. Die Auswirkungen auf die Sehschärfe waren weniger sicher. Der Einfluss dieser Linsen auf die Lebensqualität wurde durchgehend nicht bewertet und es gibt nur sehr wenig sichere Vergleichsdaten zu unerwünschten Ereignissen. (bs)
Autoren: Maedel S, Evans JR, Harrer-Seely A, Findl O. Korrespondenz: Sophie Maedel, Department of Ophthalmology, Hanusch Hospital, Vienna, Austria. E-Mail: s.maedel@viros.at Studie: Intraocular lens optic edge design for the prevention of posterior capsule opacification after cataract surgery. Quelle: Cochrane Database Syst Rev. 2021 Aug 16;8(8):CD012516. doi: 10.1002/14651858.CD012516.pub2. PMID: 34398965; PMCID: PMC8406949. Web: https://www.cochranelibrary.com/cdsr/doi/10.1002/14651858.CD012516.pub2/full