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Fachverlag und Nachrichtenagentur

INSPIRE-Studie: Antibiotic Stewardship mit computergestützter Therapieempfehlung bei Harnwegsinfektionen

INFECTIOUS DISEASES Irvine – Harnwegsinfektionen (HWI) sind die zweithäufigste Infektionskrankheit, die zu einer Krankenhauseinweisung führt. Auslöser sind zunehmend multiresistente gramnegative Keime (multidrug-resistant organisms, MDRO). Obwohl das Risiko einer MDRO-Infektionen bei den meisten Patienten gering ist, werden weltweit zu viele Breitbandantibiotika eingesetzt. Um dem unverhältnismässigen Einsatz von Breitbandantibiotika entgegenzuwirken, wurde in der nachfolgend vorgestellten Studie untersucht, inwieweit computergestützte Therapieempfehlungen zur MDRO-Risikoeinschätzung den Einsatz von Breitbandantibiotika bei der empirischen Behandlung von Harnwegsinfektionen sicher reduzieren können.

In einer cluster-randomisierten Studie in 59 US-amerikanischen Spitälern verglichen die Autoren um Shruti K. Gohil von der Division of Infectious Diseases der University of California in Irvine, Vereinigte Staaten, den Effekt eines entsprechenden Antibiotic Stewardship-Bundles, bestehend aus Schulung, Feedback sowie zeit- und risikobasierten computergestützten Therapieempfehlungen (29 Krankenhäuser) mit einem routinemässigen Antibiotic Stewardship (30 Krankenhäuser). Primärer Endpunkt war die Anzahl der Behandlungstage mit Breitbandantibiotika. Sekundäre Endpunkte umfassten die Anzahl der Tage bis zur Verlegung von der Intensivstation (ICU) und die Verweildauer im Krankenhaus.

Ausgewertet wurden die Daten von 127.403 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 69,4 Jahren. Im Vergleich zum routinemässigen Stewardship führte der Einsatz der computergestützten Therapieempfehlung zu einer Reduktion der Therapietage mit einem Breitbandantibiotikum um 17,4% (95% Konfidenzintervall [KI] 11,2% bis 23,2%) in der empirischen Phase (Rate Ratio [RR] 0,83; 95% KI 0,77 bis 0,89; p < 0,01). Die Autoren berichten in der Juni-Ausgabe 2024 des JAMA, dass hinsichtlich der Sicherheit kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen nachgewiesen werden konnte. Die durchschnittliche Anzahl der Tage bis zur Verlegung von der ICU (6,6 vs. 7,0 Tage) und die Dauer des Krankenhausaufenthalts (6,3 vs. 6,5 Tage) unterschieden sich nicht signifikant zwischen der Routine- und der Interventionsgruppe. (fa)

Autoren: Gohil SK, Septimus E, Kleinman K, Varma N, Avery TR, Heim L, Rahm R, Cooper WS, Cooper M, McLean LE, Nickolay NG, Weinstein RA, Burgess LH, Coady MH, Rosen E, Sljivo S, Sands KE, Moody J, Vigeant J, Rashid S, Gilbert RF, Smith KN, Carver B, Poland RE, Hickok J, Sturdevant SG, Calderwood MS, Weiland A, Kubiak DW, Reddy S, Neuhauser MM, Srinivasan A, Jernigan JA, Hayden MK, Gowda A, Eibensteiner K, Wolf R, Perlin JB, Platt R, Huang SS. Korrespondenz: Shruti K. Gohil, MD, MPH, University of California Irvine, School of Medicine, 100 Theory, Irvine, CA 92617, USA. E-Mail: skgohil@hs.uci.edu Studie: Stewardship Prompts to Improve Antibiotic Selection for Urinary Tract Infection: The INSPIRE Randomized Clinical Trial. Quelle: JAMA. 2024 Jun 18;331(23):2018-2028. doi: 10.1001/jama.2024.6259. PMID: 38639723; PMCID: PMC11185978. Web: https://jamanetwork.com/journals/jama/fullarticle/2817975

KOMMENTAR Die vorliegende Studie lässt den Schluss zu, dass computergestützte Therapieempfehlungen in Kombination mit Feedback und Schulung den empirischen Einsatz von Breitbandantibiotika signifikant reduzieren können, ohne Abstriche bei der Sicherheit machen zu müssen. Die Studie ist als gutes Beispiel für die Integration computergestützter Entscheidungshilfen in den klinischen Alltag zu werten, die konkrete Übertragbarkeit der Ergebnisse auf unser Gesundheitssystem ist jedoch unklar.
Autor: Dr. med. Fabian Aschwanden, Assistenzarzt Luzerner Kantonsspital