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Fachverlag und Nachrichtenagentur

Wie hoch ist das Risiko für sekundäre Malignome nach einer Strahlentherapie im Beckenbereich?

MISCELLANEOUS Philadelphia – Die Radiotherapie (RT) hat sich als effektive Therapiemodalität in der Krebsbehandlung etabliert und wird bei ca. 50% der Krebspatienten eingesetzt. Hinsichtlich der onkologischen Kontrolle ist die RT anderen Therapieoptionen (Chirurgie, medikamentöse Therapie) häufig ebenbürtig, wobei die Invasivität im Vergleich zur Chirurgie zumindest geringer ist. Ein wesentlicher Nachteil der RT ist das erhöhte Risiko der Entwicklung von Zweimalignomen. Das Risiko der Entwicklung von Zweitmalignomen bei Patienten, die eine RT wegen primärer pelviner Malignome erhalten, ist für einzelne primäre Malignome wie das Prostatakarzinom (PCa) gut untersucht. In der Literatur fehlt jedoch eine umfassende Bewertung des Risikos für RT-induzierte sekundäre Malignome im Allgemeinen und spezifischer für RT-induzierte sekundäre pelvine Malignome bei Patienten, die sich einer RT bei primären Beckenmalignomen unterziehen. Die hier vorgestellte Studie von Connor McPartland vom Department of Urology des Sidney Kimmel Medical College der Thomas Jefferson University in Philadelphia, Vereinigte Staaten, und weiteren us-amerikanischen Forschern untersuchte das Risiko für die Entwicklung sekundärer Malignome nach RT primärer Beckenmalignome im Rahmen einer retrospektiven Analyse der SEER-Datenbank. Grob zusammengefasst wurden primäre Beckenmalignome nach der erhaltenen RT und sekundäre Malignome nach ihrer Lokalisation intra- oder extrapelvin klassifiziert, um den lokalen Effekt der RT zu untersuchen. Insgesamt wurden 2.102.192 Patienten analysiert (1.189.108 mit PCa, 315.026 mit Blasenkrebs (BCa), 88.809 mit Zervixkarzinom (CCa), 249.535 mit Uteruskarzinom (UCa) und 259.714 mit Rektal-/Analkrebs (RCa)). Die Inzidenzrate (definiert als Fälle pro 1.000 Personenjahre) aller sekundären Malignome (einschliesslich, aber nicht beschränkt auf sekundäre Beckenmalignome) war bei RT-Patienten höher als bei Nicht-RT-Patienten (Inzidenzratenverhältnis [IRR] 1,04; Konfidenzintervall [KI] 1,03 – 1,05), mit signifikant höheren Raten bei RT-Patienten mit PCa (IRR 1,22; KI 1,21 – 1,24), UCa (IRR 1,34) und CCa (IRR 1,80; KI 1,72 – 1,88). Die Autoren zeigen in der März-Ausgabe 2024 des Fachjournals EUROPEAN UROLOGY OPEN SCIENCE dar, dass zwar die Gesamthäufigkeit aller sekundären pelvinen Malignome bei RT-Patienten geringer war (IRR 0,79; KI 0,78 – 0,81), dennoch eine höhere Inzidenz in denselben Kohorten festgestellt wurde, einschliesslich RT-Patienten mit PCa (IRR 1,42; KI 1,39 – 1,45), UCa (IRR 1,15; KI 1,08 – 1,21) und CCa (IRR 1,72; KI 1,59 – 1,86). (fa)

Autoren: McPartland C, Salib A, Banks J, Mark JR, Lallas CD, Trabulsi EJ, Gomella LG, Goldberg H, Leiby B, Den R, Chandrasekar T. Korrespondenz: Thenappan Chandrasekar, Department of Urology, University of California, Davis, 4860 Y St, Suite 3500, Sacramento, CA 95817, USA. E-Mail: thenappan.chandrasekar@gmail.com Studie: Risk of Secondary Malignancies After Pelvic Radiation: A Population-based Analysis. Quelle: Eur Urol Open Sci. 2024 Mar 23;63:52-61. doi: 10.1016/j.euros.2024.02.013. PMID: 38558762; PMCID: PMC10979055. Web: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2666168324002702

KOMMENTAR Die RT bei pelvinen Malignomen erhöht das Risiko für die Entwicklung sekundärer Malignome, insbesondere sekundärer Beckenmalignomen. Das absolute Risiko bleibt jedoch für die meisten Patientengruppen gering. Zudem ist die Latenzzeit bis zum Auftreten sekundärer Malignome zu berücksichtigen, so dass die Induktion sekundärer Malignome klinisch weniger relevant erscheint, insbesondere bei Entitäten mit kurzem Überleben oder bei Auftreten des Primärmalignoms in höherem Patientenalter. Sicherlich muss bei der Beratung der Patienten auf das Komplikationsrisiko der RT hingewiesen werden, ein Aspekt, der in der Studie keine Erwähnung fand.

Autor: Dr. med. Fabian Aschwanden, Assistenzarzt Luzerner Kantonsspital