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Fachverlag und Nachrichtenagentur

Kann bei ausgewählten Prostatakarzinomen die bilaterale ePLND auf eine einseitige ePLND reduziert werden?

PROSTATE CANCER Toulouse – Ziel dieser Studie der Young Academic Urologists (YAU) der Europäischen Gesellschaft für Urologie war es, die Machbarkeit einer ausschliesslich einseitigen erweiterten Lymphadenektomie (ePLND) im Rahmen der radikalen Prostatektomie zu untersuchen. Alberto Martini aus dem Department of Urology am La Croix du Sud Hospital in Toulouse, Frankreich, und zahlreiche europäische Forscher analysierten einen Datensatz aus 19 Institutionen von Männern mit cN0-Erkrankung, bei denen durch MRI-gesteuerte Prostatabiopsien eine Diagnose gestellt wurde, und die sich anschliessend einer radikalen Prostatektomie und beidseitigen ePLND unterzogen. Das Untersuchungsergebnis der Studie war das Vorliegen von pN1 kontralateral zum Prostatalappen mit den „dominanten“, d.h. karzinomspezifisch aggressiveren Eigenschaften. Eine logistische Regression zur Vorhersage von Lymphknoteninvasionen kontralateral zum dominanten Lappen wurde erstellt und intern validiert. Insgesamt wurden Daten von 2.253 Patienten berücksichtigt. Bei 302 (13%) Patienten zeigte sich pN1, bei 83 (4%) Patienten zeigte sich pN1 kontralateral zum dominanten Lappen. Ein rechnerisches Modell, das den PSA-Wert, den maximalen Durchmesser der Indexläsion, das Vorliegen einer Samenblaseninvasion in der MRI, den ISUP (International Society of Urological Pathology) auf der nicht-dominanten Seite sowie den Prozentsatz der positiven Biopsien auf der nicht-dominanten Seite berücksichtigte, erreichte nach interner Validierung eine Area under the curve (AUC) von 84%. Die Autoren berichten in der Juliausgabe 2023 des JOURNAL OF UROLOGY, dass bei einem Grenzwert von 1% für eine kontralaterale Lymphknoteninvasion 602 (27%) kontralaterale Lymphknoteninvasionen vermieden werden könnten, wobei pN1 nur in 1,2% der Fälle übersehen würde. (cw)

Autoren: Martini A, Wever L, Soeterik TFW, Rakauskas A, Fankhauser CD, Grogg JB, Checcucci E, Amparore D, Haiquel L, Rodriguez-Sanchez L, Ploussard G, Qiang P, Affentranger A, Marquis A, Marra G, Ettala O, Zattoni F, Falagario UG, De Angelis M, Kesch C, Apfelbeck M, Al-Hammouri T, Kretschmer A, Kasivisvanathan V, Preisser F, Lefebvre E, Olivier J, Radtke JP, Briganti A, Montorsi F, Carrieri G, Moro FD, Boström P, Jambor I, Gontero P, Chiu PK, John H, Macek P, Porpiglia F, Hermanns T, van den Bergh RCN, van Basten JA, Gandaglia G, Valerio M. Korrespondenz: Massimo Valerio, Geneva University Hospital, University of Geneva, Rue Gabrielle-Perret-Gentil, 4, 1205Geneva, Switzerland. E-Mail: massimo.valerio@hcuge.ch Studie: Unilateral Pelvic Lymph Node Dissection in Prostate Cancer Patients Diagnosed in the Era of Magnetic Resonance Imaging-targeted Biopsy: A Study That Challenges the Dogma. Quelle: J Urol. 2023 Jul;210(1):117-127. doi: 10.1097/JU.0000000000003442. Epub 2023 Apr 13. PMID: 37052480. Web: https://www.auajournals.org/doi/10.1097/JU.0000000000003442

KOMMENTAR Obwohl die erweiterte Lymphadenektomie (ePLND) während der radikalen Prostatektomie als das Gold-Standard-Staging-Werkzeug gilt, ist sie mit erhöhter Morbidität verbunden. Aus diesem Grund untersuchten Martini et al. die Möglichkeit, bei ausgewählten Fällen die bilaterale ePLND auf eine einseitige ePLND zu reduzieren, ohne die kurzfristigen onkologischen Ergebnisse zu beeinträchtigen. Dennoch erfordern die oben genannten Befunde weitere Diskussionen über die primären lymphatischen Drainagegebiete des Prostatakrebses. In dieser Hinsicht wurde gezeigt, dass die lymphatische Drainage der Prostata bilateral existiert, was die biologische Begründung der Ergebnisse von Martini et al. in Frage stellt. Darüber hinaus sollte man im Hinterkopf behalten, dass sich Prostatakrebs auch über nahegelegene regionale Lymphknoten hinaus ausbreiten kann. In dieser Hinsicht war die einzige randomisierte Studie, die den onkologischen Effekt der limitierten PLND im Vergleich zur ePLND untersuchte, aufgrund der sehr vergleichbaren Gesamtanzahl der Lymphknoten in beiden Gruppen nicht schlüssig, weshalb ePLND weiterhin als Standardversorgung betrachtet werden sollte (Eur Urol. 2021;79(5):595-604). Daher müssen die Ergebnisse von Martini et al. im Hinblick auf das Fehlen ausreichend prospektiv erhobener Langzeitdaten zur onkologischen Sicherheit der begrenzten und/oder ipsilateralen ePLND betrachtet werden.

Autor: Dr. med. Christoph Würnschimmel, Oberarzt Luzerner Kantonsspital