Patientenpräferenzen für die Behandlung von auf BCG nicht reagierendem, nicht muskelinvasivem Blasenkrebs
BLADDER CANCER London – Patienten mit einem nicht muskelinvasiven Urothelkarzinom (NMIBC) mit fehlendem Ansprechen auf eine Bacillus-Calmette-Guérin(BCG)-Therapie stehen vor einer schwierigen Entscheidung. Die radikale Zystektomie (RC) ist effektiv, birgt aber das Risiko einer Übertherapie. Die blasenerhaltende Therapie ist eine Alternative, ist aber mit dem Risiko einer Progression zum muskelinvasiven Urothelkarzinom (MIBC) und einer verkürzten Lebenserwartung verbunden. Das Ziel der nachfolgend präsentierten Studie von Forschern um Hannah Collacott aus dem Forschungsunternehmen Evidera in London, Vereinigtes Königreich, war es, zu verstehen, welchen Kompromiss Patienten bereit sind einzugehen bei der Wahl der Behandlung des nicht auf eine BCG-Therapie ansprechenden NMIBC. Bisher ist über die Faktoren, welche Patienten in dieser Situation zur Entscheidungsfindung heranziehen, wenig bekannt. Eingeschlossen in die Studie wurden Patienten mit einem NMIBC, die kürzlich eine BCG-Therapie erhalten hatten, solche mit einer Erkrankung ohne Ansprechen auf die BCG-Therapie und Patienten, die in den letzten zwölf Monaten nach BCG-Versagen zystektomiert wurden. Die Patienten wurden gebeten, zwischen hypothetischen medikamentösen Therapien und der Option der RC zu wählen. Die hypothetischen medikamentösen Therapien stellten sich beispielsweise wie folgt dar: Medikation A: Zeit bis zur radikalen Zystektomie 3 Jahre, Progressionsrisiko zur muskelinvasiven Erkrankung unter Therapie 10%, Risiko schwerer Nebenwirkungen 5%, Verabreichung: intravesikal 1x wöchentlich für 6 Wochen. Medikation B: Zeit bis zur radikalen Zystektomie 6 Jahre, Progressionsrisiko unter Therapie 20%, Risiko schwerer Nebenwirkungen 0%, Verabreichung: intravesikal 1x alle 3 Monate. Die Umfrage wurde von insgesamt 107 Patienten ausgefüllt. Das Durchschnittsalter betrug 63 Jahre. 39% der Patienten erhielten derzeit eine BCG-Therapie, 43% zeigten kein Ansprechen auf die Therapie und 18% hatten sich in den letzten 12 Monaten einer RC unterzogen. 89% der Patienten würden eine medikamentöse Therapie in jedem Fall einer RC vorziehen, für 70% der Patienten war die RC die am wenigsten gewünschte Option. Generell bevorzugten die Patienten Therapieformen zur Verzögerung der RC (p < 0,001). Zudem wurden die Therapieformen bevorzugt, welche ein geringeres Risiko der Progression zum NMIBC boten und Therapieformen mit geringem Risiko für Nebenwirkungen (p < 0,001). Alle intravesikalen Administrationsformen wurden intravenösen Therapieformen vorgezogen. Insgesamt war die Zeit bis zur radikalen Zystektomie der stärkste Modulator der Patientenpräferenzen und in 95% der Fälle der entscheidende Faktor. Den geringsten Einfluss auf die Entscheidung hatten mögliche Nebenwirkungen. Patienten waren bereit, eine 17,5%ige Risikozunahme für einen Progress zum MIBC zu akzeptieren, um die Zeit bis zur RC von einem auf drei Jahre zu verlängern. Um die Zeitspanne von einem Jahr auf sechs Jahre zu verlängern, wurde sogar ein Progressionsrisiko von 43,8% akzeptiert. Weiter zeigten sich deutliche Unterschiede in den Präferenzen, wenn eine Stratifizierung nach Alter, Geschlecht, Allgemeinzustand oder der aktuellen Behandlung erfolgte. Wie die Autoren in der Märzausgabe 2023 des Fachjournals EUROPEAN UROLOGY OPEN SCIENCE schreiben, legt dies den Schluss nahe, dass die Präferenzen sehr patientenspezifisch sind. (fa)
Autoren: Collacott H, Krucien N, Heidenreich S, Catto JWF, Ghatnekar O. Korrespondenz: Hannah Collacott, Evidera, The Ark, 201 Talgarth Road, London W6 8BJ, UK. E-Mail: hannah.collacott@evidera.com Studie: Patient Preferences for Treatment of Bacillus Calmette-Guérin-unresponsive Non-muscle-invasive Bladder Cancer: A Cross-country Choice Experiment. Quelle: Eur Urol Open Sci. 2023 Jan 31;49:92-99. doi: 10.1016/j.euros.2022.12.016. PMID: 36874596; PMCID: PMC9974996. Web: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2666168323000101
KOMMENTAR Eine Limitation der Studie liegt sicherlich darin, dass die Resultate nur im Kontext dieser Studie interpretiert werden können und kein Vergleich mit anderen Studien eines ähnlichen Designs möglich ist. Zudem ist die Studie sehr anfällig gegenüber einem hypothetischen Bias. Eine Differenz zwischen den hypothetischen Entscheidungen in der Studie und Entscheidungen im echten Leben können nicht ausgeschlossen werden. Der Einfluss von Empfehlungen durch medizinische Fachpersonen sowie Interaktionen mit dem sozialen Umfeld fehlen in diesem Studiendesign vollständig.
Autor: Dr. med. Fabian Aschwanden, Assistenzarzt Luzerner Kantonsspital