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Fachverlag und Nachrichtenagentur

Niederländische Simulationsstudie zur Kosteneffektivität eines generellen Prostatakrebs-Screeningprogramms

 

PROSTATE CANCER Rotterdam – In dieser niederländischen Simulationsstudie geben Abraham M. Getaneh et al. aus dem University Medical Center Rotterdam einen Einblick in die möglichen assoziierten Kosten eines generellen Prostatakarzinom-Screeningprogramms in einem EU-Staat. Hierfür wurde eine Micro-Simulationsanalyse (MISCAN) erstellt. Diese Analyse wird häufig verwendet, um mittels einer «Monte Carlo Simulation» ein Massenscreening zu simulieren, das schliesslich Einblicke über die Morbidität und Mortalität, aber auch Kosten liefern kann. Die Modelle verwenden hierbei allgemeine länderspezifische Daten über den natürlichen Krankheitsverlauf. Mittels MISCAN wurden 230 PSA-Screening-Strategien in einer niederländischen Bevölkerung (hypothetische Kohorte von 10 Millionen Männern im Alter von 50 Jahren) getestet. Die Screening-Strategien wurden variiert nach Startalter (50, 51, 52, 53, 54 und 55), Endalter (51-69) und Intervallen (1, 2, 3, 4, 8 Jahre und Einzeltest). Die Kosten («Incremental cost-effectiveness ratio», ICER) und Auswirkungen der einzelnen Screening-Strategien wurden mit einem Szenario ohne Screening verglichen. Für einzelne Screening-Strategien (einmalig) hat sich das Screening im Alter von 57 Jahren als am effizientesten erwiesen, was zu einem Gewinn von 9,5 Lebensjahren und einer Senkung der Prostatakrebssterblichkeit um 8,2% führte, wobei 31% der im Screening entdeckten Krebsfälle überdiagnostiziert wurden. Screening im 4-Jahres-Intervall von 55 bis 59 Jahren (2 Tests) und im 3-Jahres-Intervall Alter von 55 bis 61 Jahren (3 Tests) erwiesen sich als weitere effiziente Strategien, die auch hinsichtlich ICER kosteneffektiv waren. Den besten Cut-off hinsichtlich Effektivität und ICER-Kriterien lieferte das Screening in 3-Jahres-Intervallen im Alter von 55 bis 64 Jahren (4 Tests). Darüber hinaus zeigte sich für das Screening-Alter 50-54 insgesamt die niedrigste Effektivität hinsichtlich «number of life years gained», im Vergleich zu den Altersgruppen 55-59 und 55-64. Die Gesamtkosten für Prostatakrebs-Screening, Diagnose und Behandlung reichten von 739.561 € ohne Screening bis 1.583.786 € bei einem jährlichen Screening im Alter von 50-69 Jahren pro 1.000 Männer. Die ICER der effizienten Strategien, d. h. der Strategien auf der Effizienzgrenze, stieg von 10.211 € pro QALY (einmaliger Test im Alter von 56 Jahren) auf 97.784 € pro QALY (jährliches Screening zwischen 50 und 69 Jahren). Wie weiter oben genannt, ein Screening in 3-Jahres-Intervallen im Alter von 55 bis 64 Jahren führte zu einer ICER von 19.733 € pro QALY, was laut Aussage der Autoren im Oktober 2020 im Fachjournal CANCER MEDICINE am nächsten der sogenannten «Willingness to pay-Schwelle» in den Niederlanden liegt (diese liegt bei 20.000 € pro QALY). Über dem Alter von 64 Jahren reduzierte sich die Kosteneffektivität (Tab. 1), während gleichzeitig das Risiko für Überdiagnosen anstieg. (CW)

Autoren: Getaneh AM, Heijnsdijk EAM, Roobol MJ, de Koning HJ. Korrespondenz: Abraham M. Getaneh, Department of Public Health, Erasmus MC, PO Box 2040, 3000 CA Rotterdam, the Netherlands. E-Mail: a.getaneh@erasmusmc.nl Studie: Assessment of harms, benefits, and cost-effectiveness of prostate cancer screening: A micro-simulation study of 230 scenarios. Quelle: Cancer Med. 2020 Oct;9(20):7742-7750. doi: 10.1002/cam4.3395. Epub 2020 Aug 19. PMID: 32813910; PMCID: PMC7571827. Web: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/cam4.3395

Kommentar: Diese Simulationsstudie unterstützt die Ergebnisse der «Real-World»-Studien. In dieser Simulation zeigt sich, dass man mit frühestens 50 Jahren, besser noch mit 55 Jahren ein Screening beginnen sollte, und schliesslich aber auch ab einem bestimmten Alter wieder mit dem Screening aufhören sollte, um die Rate an Überdiagnostik und Übertherapie zu reduzieren. Die Analyse unterstützt hierbei am ehesten die Altersgruppe zwischen 55 und 64, und empfiehlt ein 3-jährliches Screening-Intervall. Insbesondere die Altersgruppe zwischen 50 und 55 Jahren scheint wieder eine Diskussionszone geworden zu sein, und geführt wird die Pro/Kontra-Diskussion hauptsächlich über den Kostenfaktor. Schliesslich ist die Rate an signifikanten Prostatakarzinomen natürlich in dieser Altersgruppe am geringsten, wonach der Kosten/Nutzen-Faktor des Screenings hier in Frage gestellt werden müsste. Dass ein Screening dennoch auch bei 50-Jährigen rein anhand des Gesichtspunktes der Reduktion der Prostatakarzinom-Mortalität Sinn macht, steht dabei ausser Frage. Auch steht ausser Frage, dass bei Patienten mit Risikofaktoren für das Prostatakarzinom, insbesondere auch bei über 64 jährigen, ein PSA-Test Sinn macht, auch ausserhalb einer Screening-Kohorte.

Autor: Dr. med. Christoph Würnschimmel, Oberarzt Luzerner Kantonsspital