Bedeutung periläsionaler Biopsien für die Detektionsrate eines signifikanten Prostatakarzinoms
PROSTATE CANCER Gainesville – Das aktuelle Standardvorgehen für die Prostatabiopsie besteht aus der Entnahme gezielter Biopsien entsprechend vorliegender MRI-Läsionen und systematischen Biopsien. Dies erlaubt eine erhöhte Detektionsrate von klinisch signifikanten Prostatakarzinomen. Die Krebsverteilung um im MRI beschriebene Läsionen (ROI = region of interest) und wie systematische Biopsien zur höheren Detektionsrate beisteuern, ist allerdings bisher kaum erforscht. Als mögliche Erklärungen gelten im MRI nicht sichtbare Krebsläsionen, die erhöhte Anzahl Stanzen oder Tumorheterogenität. Eine weitere mögliche Erklärung könnte darin liegen, dass manche krebstragenden systematischen Biopsien in der Nähe von MRI-Läsionen (perilesional) entnommen werden. Retrospektive Analysen konnten klinisch signifikantes Prostatakarzinomgewebe in periläsionalen Stanzen nachweisen. Weiter konnte gezeigt werden, dass die wahre Grösse einer Tumorläsion im MRI oft unterschätzt wird. Ob periläsionale Biopsien die Detektionsrate weiter erhöhen können, war die Fragestellung der hier vorgestellten Studie. In einer retrospektiven Analyse untersuchten die Autoren zum Wayne G. Brisbane von der University of Florida in Gainesville, Vereinigte Staaten, insgesamt 30.191 Biopsiezylinder und deren Distanz zur ROI. Dabei zeigte sich, dass 90% aller Biopsien, welche ein klinisch signifikantes Prostatakarzinom (Definition der Autoren ISUP ≥ 2) trugen, in einem Radius von maximal 10 mm zur nächsten ROI lagen; hiervon 65% innerhalb der ROI und 26% innerhalb dem 10 mm Radius zur ROI, welchen die Autoren als Penumbra bezeichneten. Die Grösse der Penumbra, welche 90% der detektierten klinisch signifikanten Prostatakarzinome enthielt, zeigte eine Abhängigkeit der PIRADS-Klassifikation. Für PIRADS-5-Läsionen betrug sie 5 mm, für PIRADS-4 12 mm und für PIRADS-3 16 mm. In 18% der Patienten erfolgte die Diagnose eines ISUP ≥ 2 Prostatakarzinoms nur ausserhalb der ROI, mit umgekehrter Proportionalität zur Entfernung zur ROI. Die Tatsache, dass die Detektionsrate klinisch signifikanter Prostatakarzinome mit zunehmender Distanz abnimmt, könnte ein Indiz darauf sein, dass systematische Biopsien nicht immer nötig sind beziehungsweise in der Penumbra erfolgen sollten, im Sinne gezielter regionaler Biopsien. Für klinisch nicht signifikante Prostatakarzinome zeigte sich in der im September 2022 beim Fachjournal EUROPEAN UROLOGY veröffentlichten Arbeit eine ähnliche Beziehung mit Abnahme der Detektionsrate mit zunehmender Distanz, allerdings deutlich geringer ausgeprägt. (fa)
Autoren: Brisbane WG, Priester AM, Ballon J, Kwan L, Delfin MK, Felker ER, Sisk AE, Hu JC, Marks LS. Korrespondenz: Wayne G. Brisbane, 1600 SW Archer Road, PO Box 100247, Gainesville, FL 32610, USA. E-Mail: waynebrisbane@ufl.edu Studie: Targeted Prostate Biopsy: Umbra, Penumbra, and Value of Perilesional Sampling. Quelle: Eur Urol. 2022 Sep;82(3):303-310. doi: 10.1016/j.eururo.2022.01.008. Epub 2022 Feb 1. PMID: 35115177. Web: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0302283822000100
KOMMENTAR Biopsien der Penumbra ermöglichen eine höhere diagnostische Ausbeute, sowohl für klinisch signifikante als auch nicht signifikante Prostatakarzinome. Hauptlimitationen der Studie sind mögliche Beeinträchtigung durch die Qualität der MRI-Befundung und Durchführung der Prostatabiopsien (bspw. Ungenauigkeit Fusion). Sämtliche Biopsien wurden mit einem Artemis-Gerät entnommen. Ob eine Übertragbarkeit der Resultate auf andere Geräte möglich ist, bleibt unklar. So räumen die Autoren ein, dass eine Übertragbarkeit der Resultate auf einen individuellen Fall nicht unbedingt gewährleistet ist. Die aktuelle EAU-Empfehlung sieht die Durchführung gezielter sowie systematischer Prostatabiopsien vor.
Autor: Dr. med. Fabian Aschwanden, Assistenzarzt Luzerner Kantonsspital