Langzeitergebnisse nach Therapie mit Polyacrylamid-Hydrogel bei Frauen mit Stressinkontinenz
FUNCTIONAL UROLOGY Melbourne – Diese von Venetia Hoe aus dem Department of Urology am Western Health in Melbourne im Bundesstaat Victoria und weiteren Kollegen aus Melbourne vorgelegte australische Studie untersuchte die Wirksamkeit von Polyacrylamid-Hydrogel (PAHG) zur Behandlung der Stressharninkontinenz bei 171 Frauen. Das primäre Ergebnis war der Behandlungserfolg. Zu den sekundären Endpunkten gehörten die Auswirkungen der Inkontinenz, Harndrang, Schmerzen unter lokaler Anästhesie, die Bereitschaft, eine PAHG-Behandlung an eine Freundin weiterzuempfehlen und unerwünschte Ereignisse. Zwischen Januar 2012 und Dezember 2019 erfolgten die Applikationen durch eine einzige Urologin. Klinische und fluoroskopische urodynamische Beurteilungen wurden zur Bestätigung der Diagnose durchgeführt. Die Ergebnisse der Studie wurden präoperativ (T1), 4 Wochen postoperativ (T2) und 3-105 Monate postoperativ (T3) bewertet. Bei T1 füllten die Frauen den Incontinence Impact Questionnaire Short Form (IIQ-7) und das Urinary Distress Inventory Short Form (UDI-6) aus. Bei T2 füllten die Frauen den UDI-6 sowie eine numerische 11-Punkte-Ratingskala aus, um die mit den Injektionen unter lokaler Anästhesie verbundenen Schmerzen zu bewerten („keine Schmerzen“ bis „schlimmstmöglicher Schmerz“) und gaben an, ob sie bereit wären, eine PAHG-Behandlung einer Freundin zu empfehlen. Bei T3 füllten die Frauen den IIQ-7, den UDI-6, den International Consultation on Incontinence Questionnaire Short Form und den Patient Global Impression of Improvement (PGI-I) aus. Von den 171 Frauen schlossen 107 die T3-Bewertung ab: 35 wurden aus der Studie ausgeschlossen und 29 wurden nach unzureichendem Ansprechen auf die primäre PAHG-Behandlung einer anderen Behandlung zugeführt. Responder und Non-Responder unterschieden sich in Bezug auf die Auswirkungen der Inkontinenz (10 Punkte Unterschied zugunsten der Responder; 95% Konfidenzintervall 1 – 19), nicht aber in Bezug auf das Alter, die vorangegangene Behandlung oder die Harnwegsbeschwerden. Das mediane Alter der Responder lag bei 65 (Range 25 – 93) Jahren. Der mittlere Zeitraum zwischen der ersten Injektion und der T3-Bewertung betrug 51 Monate. Wie die Autoren in der Juni-Ausgabe 2022 des BJU INTERNATIONAL mitteilen wurde bei insgesamt 64 Frauen (60%) die Injektion wiederholt; der mittlere Zeitraum zwischen den Injektionen betrug 3 Monate. Bei 83 Frauen (78%) wurde eine Lokalanästhesie durchgeführt; der Median der mit den Injektionen verbundenen Schmerzwerte lag bei 2 Punkten (Skala 0 – 10). 60% der Frauen berichteten über erfolgreiche Ergebnisse < 1 Jahr nach der ersten Injektion, 48% zwischen 1 und 2 Jahren, 46% zwischen 3 und 4 Jahren, 57% zwischen 5 und 6 Jahren und 53% zwischen 7 und 8 Jahren nach der ersten Injektion (Tabelle 1). Von denjenigen, die über ein erfolgreiches Ergebnis berichteten, hatten 42% eine Injektion und 58% zwei Injektionen. (cw)
Autoren: Hoe V, Yao HH, Gough K, O’Connell HE. Korrespondenz: Venetia Hoe, 160 Gordon St, Footscray, Victoria 3011, Australia. E-Mail: venetia.hoe@gmail.com Studie: Long-term outcomes of polyacrylamide hydrogel treatment in women with stress urinary incontinence. Quelle: BJU Int. 2022 Jun;130 Suppl 1(Suppl 1):22-24. doi: 10.1111/bju.15717. Epub 2022 Mar 7. PMID: 35199441; PMCID: PMC9311695. Web: https://bjui-journals.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/bju.15717
KOMMENTAR Polyacrylamid-Hydrogel (PAHG) ist ein paraurethrales Gel-Implantat, das zur Behandlung von Stressharninkontinenz eingesetzt werden kann. Es liegen jedoch nur wenige klinische Langzeitdaten vor. In dieser Studie sprachen insgesamt 21% der Frauen nicht ausreichend auf die Behandlung mit PAHG-Injektionen an. Erstaunlich hingegen war, dass entgegen der verbreiteten Meinung, dass diese Therapie nur eine kurzfristige Wirkung zeigt, die häufige Wiederholungsinjektionen erforderte, dennoch eine Erfolgsquote von 53% in den 7 bis 8 Jahren seit der ersten Injektion erreicht wurde. Natürlich könnte dieses Ergebnis verfälscht sein durch weitere Anpassungen des Lebensstils, Beckenbodentraining und Gewichtsverlust der Patientinnen; tatsächliche alternative Prozeduren, wie etwa eine Schlingenoperation wurden jedoch ausgeschlossen und verfälschten somit das Ergebnis nicht.
Autor: Dr. med. Christoph Würnschimmel, Oberarzt Luzerner Kantonsspital