Einsatz von Doppler-Ultraschall bei Verdacht auf Hodentorsion
TRAUMA 7 EMERGENCY Paris – Die Hodentorsion ist ein relativ häufiger urologischer Notfall, mit einer Inzidenz von ca. 1/4000 in Grossbritannien. Aktuelle Guidelines empfehlen dass die Hodenfreilegung nicht durch bildgebende oder laborchemische Diagnostik verzögert werden sollte. Eine Diagnostik rein aufgrund klinischer Gesichtspunkte bleibt allerdings schwierig, gemäss Literatur resultieren 50-86% der durchgeführten Hodenfreilegung negativ. Die Sensitivität der Doppler-Ultraschalluntersuchung variiert zwischen 69-91%, die Spezifität zwischen 87-100%. Die Durchführung eines Doppler-Ultraschalls ist aufgrund der Untersucherabhängigkeit sowie der möglichen Verzögerung einer Intervention umstritten. In der Nachfolgend präsentierten Studie haben die Autoren um Ugo Pinar aus der urologischen Abteilung der Hôpitaux Universitaires Pitie-Salpetriere-Charles Foix, an der Sorbonner Universität, in Paris, Frankreich, die Daten von 2922 Patienten mit Verdacht auf Hodentorsion und nachfolgender Hodenfreilegung ausgewertet. Die Datenerhebung erfolgte an 14 französischen Zentren zwischen 2005-2019. Das mittlere Patientenalter betrug 22.6 Jahre, bei 60.4% der Patienten zeigte sich intraoperativ eine Hodentorsion, eine präoperative Doppler-Ultraschalluntersuchung wurde bei 32.7% der Patienten durchgeführt. Um eine Vergleichbarkeit zwischen den Gruppen (präoperativer Ultraschall vs. rein klinische Indikationsstellung zur Hodenfreilegung) zu ermöglichen, erfolgte ein propensity-score Matching. In Bezug auf Orchiektomierate zeigte sich kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen. Allerdings zeigte sich für die Gruppe mit Ultraschalluntersuchung eine längere Verzögerung bis zur Operation (3.9h vs. 2.7h, p<0.01). In den 956 Fällen mit durchgeführter Ultraschalluntersuchung zeigte sich eine Sensitivität von 85.2% sowie eine Spezifität von 52.7%. Für Patienten welche sich nach mehr als 6 Stunden nach Symptombeginn vorstellten, zeigte sich eine bessere Performance der Ultraschalluntersuchung. Betreffend Limitationen verweisen die Autoren in der Januar-Ausgabe der Fachzeitschrift EUROPEAN UROLOGY FOCUS darauf, dass die Ultraschalluntersuchung nicht standardisiert war und von Radiologen mit unterschiedlichem Erfahrungslevel durchgeführt wurden. Zudem wurden nur Patienten ausgewertet, welche einer Hodenfreilegung zugeführt wurden. (fa/um)
Autoren: Ugo Pinar 1 , Igor Duquesne 2 , François Lannes 3 , Florian Bardet 4 , Kevin Kaulanjan 5 , Clément Michiels 6 , Emilien Seizilles de Mazancourt 7 , Ines Dominique 8 , Maxime Vallee 9 , Margaux Felber 10 , Lucas Freton 11 , Bastien Gondran-Tellier 3 , Xavier Matillon 7 , Zine-Edine Khene 11 , Benjamin Pradere 12; Korrespondenz: Department of Urology, Hôpitaux Universitaires Pitie-Salpetriere-Charles Foix, AP-HP, Sorbonne Université, Paris, France. Electronic address: ugo.pinar@aphp.fr. 2 Department of Urology, Hôpital Cochin, AP-HP, Université de Paris, Paris France. 3 Department of Urology, La Conception University Hospital, Assistance-Publique Marseille, Marseille, France. 4 Department of Urology, Dijon University Hospital, Dijon, France. 5 Department of Urology, CHU Pointe à Pitre, Guadeloupe, France. 6 Department of Urology, Bordeaux University Hospital, Bordeaux, France. 7 Department of Urology and Transplantation, Edouard Herriot Hospital, Hospices Civils de Lyon, Lyon, France. 8 Department of Urology, Groupe Hospitalier Diaconesses-Croix Saint-Simon, Paris, France. 9 Department of Urology, Poitiers University Hospital, Poitiers, France. 10 Department of Urology, Hôpitaux Universitaires Pitie-Salpetriere-Charles Foix, AP-HP, Sorbonne Université, Paris, France. 11 Department of Urology, University Hospital of Rennes, Rennes, France. 12 Department of Urology, Comprehensive Cancer Center, Medical University of Vienna, Vienna, Austria. Studie: The Use of Doppler Ultrasound for Suspected Testicular Torsion: Lessons Learned from a 15-Year Multicentre Retrospective Study of 2922 Patients; Quelle: Eur Urol Focus. 2022 Jan;8(1):105-111.doi: 10.1016/j.euf.2021.02.011. Epub 2021 Mar 2. Web: https://www.eu-focus.europeanurology.com/article/S2405-4569(21)00054-7/fulltext
Kommentar
Die Studie konnte aufzeigen, dass die Durchführung einer Ultraschalluntersuchung zu keiner erhöhten Orchiedektomierate führt. Die in der Studie beschriebene Verzögerung der Operation von einer Stunde dürfte die Reflektion der Tatsache sein, dass die Untersuchungen von Radiologen ausgeführt wurden und nicht im Sinne eines point-of-care Ultraschalles. Die Verzögerung dürfte geringer sein, wenn die Untersuchung direkt bedside in der Notfallstation durchgeführt wird. Inwiefern dies wiederum die Sensibilität und Spezifität beeinflusst bleibt unklar. (fa)