Einer chronischen NI geht nicht zwingend eine akute NI voraus – Umdenken beim Einsatz von PPI nötig?
UPPER URINARY TRACT St. Louis – mechentel news – Der Einsatz von Protonenpumpeninhibitoren (PPI) erhöht das Risiko an einer akuten Niereninsuffizienz (NI) oder einer chronischen NI zu erkranken, deren Progression zum terminalen Nierenversagen führt. Eine PPI-induzierte chronische NI ist vermutlich die Folge einer bestehenden akuten NI. Ob jedoch auch ein erhöhtes Risiko für chronische renale Leiden OHNE Bezug einer bereits vorausgehenden akuten NI besteht, ist bisher unbekannt und Ziel der von Yan Xie und Kollegen des Clinical Epidemiology Center für Research and Education Service des VA Saint Louis Health Care System in St. Louis, Missouri, USA, vorgelegten Studie. Die Wissenschaftler bildeten anhand der Department of Veterans Affairs-nationalen Datenbank eine Kohorte von 144032 Patienten, die eine Säureverringernde Therapie in Form von PPI (125596 Patienten) oder Histamin-H2-Rezeptor-Antagonisten (H2-Blocker; 18436 Patienten) erhielten. Während des fünfjährigen Follow-up-Zeitraumes wurden jene Kohortenteilnehmer zum Zeitpunkt des Auftretens einer akuten NI aus den Überlebensmodellen gestrichen. Verglichen mit H2-Blocker-Patienten, hatten Patienten, die PPI einsetzten, ein erhöhtes Risiko einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) von unter 60 ml/min/1,73^2 (Hazard ratio [HR]: 1,19; 95 % Konfidenzintervall [CI]: 1,15-1,24), einer chronischen NI (HR: 1,26; 95 % CI: 1,20-1,33), eines GFR-Abfalls von mehr als 30 % (HR: 1,22; 95 % CI: 1,16-1,28) sowie eines terminalen Nierenversagens oder eines GFR-Abfalls von mehr als 50 % (HR: 1,30; 95 % CI: 1,15-1,48). Die Ergebnisse waren übereinstimmend mit denen der Modelle, die Teilnehmer mit akuter NI entweder vor dem Auftreten der chronischen NI, während der Verweildauer in der Kohorte oder vor dem Kohorteneintritt ausschlossen. Der Anteil an PPI-Wirkung infolge der akuten NI lag bei 44,7 %, 45,5 %, 46 % beziehungsweise 46,7% für Patienten mit einer GFR unter 60 ml/min/1,73m^2, einer chronischen NI, eines GFR-Abfalls von mehr als 30 % beziehungsweise eines terminalen Nierenversagens oder Abnahme der GFR von mehr als 50 %. Laut der im Februar 2017 zunächst elektronisch in der Fachzeitschrift „Kidney International“ erschienen Studie, ist der Einsatz von PPI mit einem ansteigenden Risiko verbunden, eine chronische NI – auch ohne bereits bestehende akute NI – zu erleiden. Daher ist die Abhängigkeit von einer vorausgehenden akuten NI als Warnsignal, um Patienten während der Anwendung von PPI vor einer möglichen chronischen NI zu behüten, keine geeignete Strategie zur Risikominimierung. (ut)
Autoren: Xie Y, Bowe B, Li T, Xian H, Yan Y, Al-Aly Z. Korrespondenz: Ziyad Al-Aly, Clinical Epidemiology Center, VA St. Louis Health Care System, 915 North Grand Boulevard, 151-JC, St. Louis, Missouri 63106, USA. Electronic address: zalaly@gmail.com. Studie: Long-term kidney outcomes among users of proton pump inhibitors without intervening acute kidney injury. Quelle: Kidney Int. 2017 Feb 20. pii: S0085-2538(17)30005-4. doi: 10.1016/j.kint.2016.12.021. [Epub ahead of print]. Web: http://www.kidney-international.theisn.org/article/S0085-2538(17)30005-4/abstract
KOMMENTAR Dass Protonenpumpeninhibitoren (PPI) wie Omeprazol das Risiko für eine Niereninsuffizienz erhöhen, bestätigt sich zunehmend (1, 2). Der zelluläre Mechanismus dahinter ist aber unklar, es werden mikrobielle Einflüsse gastrointestinal durch den fehlenden Säureschutz im Magen (3) als auch vermehrte Bildung von Entzündungsmediatoren wie der Hämoxygenase-1 (4) diskutiert. Klinisch wurde bis anhin angenommen, dass eine akute Niereninsuffizienz (NI) als „first hit“ die Ursache darstellt, sodass man bei diesen Patienten nach dem Ereignis einer akuten PPI-induzierten NI dann gezielt die Retentionsparameter überwachen sollte. Die vorliegende Arbeit zeigt nun aber, dass auch ohne akute NI das Risiko für eine chronische NI mit ggf. sogar Dialysepflichtigkeit leicht ansteigt. Eine akute NI wurde als Verdopplung des Kreatinin-Wertes definiert, diese Patienten wurden dann ausgeschlossen. Die Restkohorte hatte ein leicht erhöhtes Risiko für eine chronische Niereninsuffizienz, d.h. GFR unter 60. Von 16101 Patienten mit H2-Blockern entwickelten 2574 (16 %) eine chronische NI. Zum Vergleich: bei den PPI-Patienten waren es 19545 von 102692 (19 %) Patienten, das Durschnittalter war 57 Jahre. Die vorliegende Kohorte hatte zu 30 % Diabetiker (31 % in der Gruppe der H2-Blocker versus 29 % in der PPI-Gruppe), ein regelmässiger NSAR-Gebrauch wurde in 27 und 25 % jeweils angegeben und der diastolische Blutdruck als auch die Mikroalbuminurie war in beiden Gruppen ebenso vergleichbar. Es stört, dass 16000 H2-Patienten mit 6mal so vielen PPI-Patienten verglichen wurden (über 100000). Dennoch ist eine Assoziation offenbar vorhanden. Was ist die Take home-Message? Für den Moment noch nichts Konkretes. Ausser vielleicht folgender Maxime: „Ein Medikament ohne Nebenwirkung steht in dringendem Verdacht auch keine Hauptwirkung zu haben“ (Zitat Prof. Kuschinsky, Pharmakologe Universität Heidelberg).
1. Xie Y, Bowe B, Li T, Xian H, Balasubramanian S, Al-Aly Z. 2016. Proton Pump Inhibitors and Risk of Incident CKD and Progression to ESRD. J Am Soc Nephrol 27:3153-3163.. 2. Lazarus B, Chen Y, Wilson FP, Sang Y, Chang AR, Coresh J, Grams ME. 2016. Proton Pump Inhibitor Use and the Risk of Chronic Kidney Disease. JAMA Intern Med 176:238-246. 3. Poesen R, Meijers B, Evenepoel P. 2016. Adverse Effects of Proton Pump Inhibitors in Chronic Kidney Disease. JAMA Intern Med 176:867-868. 4. Becker JC, Grosser N, Waltke C, Schulz S, Erdmann K, Domschke W, Schroder H, Pohle T. 2006. Beyond gastric acid reduction: proton pump inhibitors induce heme oxygenase-1 in gastric and endothelial cells. Biochem Biophys Res Commun 345:1014-1021.