Durch Active Surveillance bei jüngeren Patienten mit Prostata-Ca Übertherapie vermeiden?
PROSTATe San Francisco – mechentel news – Ob eine anfängliche aktive Überwachung (active surveillance, AS) für jüngere Patienten mit Prostatakrebs (PCa) geeignet sei, wurde im Hinblick auf eine eventuelle Behandlungsnotwendigkeit und Sicherheitsbedenken in Frage gestellt; allerdings ist der Einfluss des Alters auf die Ergebnisse von Überwachungsstrategien noch nicht ausreichend untersucht. Michael S. Leapman und Kollegen der University of California in San Francisco, Kalifornien, sowie der Yale University School of Medicine in New Haven, Connecticut, USA, identifizierten Männer unter AS in ihren Institutionen mit einem Follow-up von mindestens sechs Monaten. Das primäre Studienziel war, den Zusammenhang zwischen Alter und Risiko einer biopsie-basierten Höherstufung des Gleason Scores während der AS zu untersuchen. Zusätzlich wurde die Beziehung des Alters mit verwandten Endpunkten, einschließlich gesamter biopsie-bestimmter Progression, endgültiger Therapie und pathologischen und biochemischen Ergebnissen nach verzögerter radikaler Prostatektomie (RP) mittels deskriptiver Statistiken, der Kaplan-Meier-Methode und multivariabler proportionaler Hazard-Regression nach Cox untersucht. Insgesamt wurden 1.433 Patienten über einen durchschnittlichen Zeitraum von 49 Monaten beobachtet; 74 % hatten eine initiale Biopsie in einer einweisenden Institution. Das mittlere Alter bei Diagnose lag bei 63 Jahren, einschließlich 599 Patienten (42 %) im Alter von ≤ 60 Jahren und 834 (58 %) im Alter von > 60 Jahren. Der Anteil der Patienten, die innerhalb 3 und 5 Jahren kein biopsiebasiertes Upgrade des Gleason Scores erfuhren, lag bei 73 % beziehungsweise 55 % für Männer im Alter von ≤ 60 Jahren im Vergleich zu 64 % beziehungsweise 48 % für Männer > 60 Jahren (p < 0,01). Bei der Cox-Regressionsanalyse war jüngeres Alter unabhängig mit einem niedrigeren Risiko für ein biopsiebasiertes Gleason-Score-Upgrade verbunden (Hazard Ratio pro 1 Jahr niedrigeres Alter 0,969; 95 % KI 0,956 bis 0,983; P < 0,01) und blieb bei Einschränkung auf die Männer, die streng die AS-Einschlusskriterien erfüllten, bestehen. Es ergab sich keine signifikante Beziehung zwischen jüngerem Alter und Risiko der endgültigen Behandlung oder dem Risiko eines biochemischen Rezidivs nach verzögerter RP. Die Autoren fassen in der elektronischen Vorabpublikation im März 2017 beim Journal of Clinical Oncology zusammen, dass ein jüngeres Alter der Patienten mit einem verminderten Risiko eines biopsiebasierten Gleason-Score-Upgrades während der AS verbunden war, aber nicht mit dem Risiko einer endgültigen Behandlung im mittelfristigen Zeitraum. AS stelle somit eine Strategie dar, um Übertherapie bei jungen Patienten mit low-risk PCa in der frühen Phase abzuschwächen. (ut/bs)
Autoren: Leapman MS, Cowan JE, Nguyen HG, Shinohara KK, Perez N, Cooperberg MR, Catalona WJ, Carroll PR. Korrespondenz: Michael S. Leapman, MD, Department of Urology, Yale University School of Medicine, 789 Howard Ave, Fitkin 300, New Haven, CT 06520. Electronic address: michael.leapman@yale.edu. Studie: Active Surveillance in Younger Men With Prostate Cancer. Quelle: J Clin Oncol. 2017 Mar 27:JCO2016680058. doi: 10.1200/JCO.2016.68.0058. [Epub ahead of print]. Web: http://ascopubs.org/doi/abs/10.1200/JCO.2016.68.0058
KOMMENTAR Sind low-risk Prostatakarzinome indolenter bei jüngeren Männern? Würden Sie beispielsweise ein Prostatakarzinom mit Gleason Score 3+3 in einer Stanze mit PSA = 3,4 ng/ml und einer 40 g schweren Drüse bei einem 48 jährigen Mann therapieren? Womöglich würden einige von Ihnen mit Ja antworten – mit der Begründung, dass der Patient ja jung ist, womit er eine lange „Expositionszeit“ hat und damit ein Risiko für eine Tumorprogredienz. In der vorliegenden Kohorte hatten Männern ≤60 Jahren verglichen mit jenen >60 Jahre ein grob 30 % niedrigeres Progressionsrisiko (z.B. 27 % versus 36 % nach 3 Jahren), jedoch im Median mehr transrektale Prostatastanzbiopsien (3 versus 2 während der medianen Beobachtungszeit von 4 Jahren). Im Kommentar zu dieser Studie wird u.a. die SPCG4-Studie zitiert (Randomisation Prostatektomie versus „Watchful Waiting“ von Bill-Axelson). In dieser Studie war der Benefit für die Prostatektomie besonders bei Männern <65 Jahren zusehen [1]. Damit wird das Ergebnis der vorgestellten Studie kritisch hinterfragt. Doch ist eine Studie vor der PSA-Ära mit zumeist klinischen Diagnosen ein gutes Argument gegen den klinischen Verlauf von vermutlich meist indolenten Prostatakarzinomen? Und umgekehrt: Bietet die vorliegende Studie eine fundierte Basis zur Entscheidungsfindung junger Patienten in Ihrer Praxis? Die Antwortet lautet in beiden Fällen wohl eher nein. Nicht solange wir keine randomisierte, prospektive Studie mit jungen Männern, langem Follow-up (10 Jahre plus) und klarem Surveillance-Protokoll (selbstredend inkl. MRI und entsprechender Biopsie) haben. Und nicht etwa eine Kohorte mit im Median drei Biopsien. Klinisch interessant ist die Studie jedoch allemal.
1. Bill-Axelson, A., et al., Radical prostatectomy or watchful waiting in early prostate cancer. N Engl J Med, 2014. 370(10): p. 932-42.