Skip to main content

Fachverlag und Nachrichtenagentur

Keine Verminderung langfristiger gesundheitlicher Komplikationen durch intermittierende statt kontinuierliche ADT beim Prostatakarzinom

PROSTATA New York – mechentel news – Obwohl für die intermittierende Androgendeprivationstherapie (ADT) keine höhere Gesamtüberlebensrate beim Prostatakarzinom nachgewiesen werden konnte, besteht doch die Möglichkeit geringerer Nebenwirkungen. Nach Kenntnis der Autoren um Dawn L. Hershman aus dem Columbia University Medical Center in New York, USA, wurde über die Inzidenz langfristiger negativer gesundheitlicher Auswirkungen noch nicht berichtet. Sie untersuchten daher die langfristigen Spätfolgen bei älteren Patienten, die randomisiert einer intermittierenden oder einer kontinuierlichen ADT zugeführt worden waren, um zu bestimmen, ob späte kardiovaskuläre und endokrine Ereignisse bei Patienten, die mit intermittierender ADT behandelt werden, womöglich seltener vorkommen. Dazu wurde eine Sekundäranalyse einer multizentrischen klinischen Studie durchgeführt, bei der die Patientendaten aus „S9346“, einer durch das National Cancer Institute der USA unterstützten, randomisierten Studie zu intermittierender gegenüber kontinuierlicher ADT bei Männern mit metastasierendem Prostatakarzinom mit entsprechenden Angaben in Medicare (der öffentlichen Krankenversicherung für Ältere innerhalb des Gesundheitssystems der USA) verknüpft wurden. Endpunkt der Arbeit war es, langfristig die ungünstigen gesundheitlichen Ereignisse je Behandlungsarm festzustellen. Patienten wurden als betroffen von einem negativen gesundheitlichen Ereignis eingestuft, wenn sie einen Krankenhausaufenthalt oder mindestens zwei Arzt- oder Ambulanzbesuche im Abstand von mindestens 30 Tagen wegen einer der folgenden Diagnosen aufwiesen: ischämische oder thrombotische Ereignisse, endokrine Ereignisse, sexuelle Dysfunktion, Demenz und Depression. Um die Zeit vom Beginn der Beobachtung bis zum Nachweis eines Ereignisses zu berücksichtigen, wurde die kumulative Inzidenz für jedes Ereignis bestimmt. Regressionsmodelle nach Cox für konkurrierende Risiken wurden angewandt, bereinigt um Kovariaten. Insgesamt wurden in der S9346-Studie 1134 männliche Patienten aus den USA mit metastasierendem Prostatakarzinom randomisiert kontinuierlicher oder intermittierender ADT zugeordnet. Von den Studienteilnehmern wiesen insgesamt 636 (56 %) eine mindestens einjährige kontinuierliche Erfassung durch Medicare und keine Teilnahme an einer Health Maintenance Organization (private Sonderform einer Krankenversicherung im amerikanischen Gesundheitssystem) auf. Das Durchschnittsalter lag bei 71,3 Jahren. Die häufigsten langfristigen Ereignisse waren Hypercholesterinämie (31 %) und Osteoporose (19 %). Die kumulative Inzidenz über 10 Jahre für ischämische und thrombotische Ereignisse unterschied sich in den Studienarmen: 24 % bei kontinuierlicher und 33 % bei intermittierender ADT (Hazard Ratio 0,69; p = 0,02). Bei keinem anderen Endpunkt zeigten sich statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Studienarmen. Die Autoren stellen der April-Ausgabe 2016 des JAMA Oncology fest, dass Männer unter intermittierenden ADT keine Verringerung der ossären, endokrinen oder kognitiven Ereignisse aufwiesen, jedoch eine erhöhte (!) Inzidenz ischämischer und thrombotischer Ereignisse zeigten. (bs)

Autoren: Hershman DL, Unger JM, Wright JD, Ramsey S, Till C, Tangen CM, Barlow WE, Blanke C, Thompson IM, Hussain M. Korrespondenz: Dawn L. Hershman, Columbia University Medical Center, New York, New York, USA. Studie: Adverse Health Events Following Intermittent and Continuous Androgen Deprivation in Patients With Metastatic Prostate Cancer. Quelle: JAMA Oncol. 2016 Apr;2(4):453-61. doi: 10.1001/jamaoncol.2015.4655. Web: http://jamanetwork.com/journals/jamaoncology/article-abstract/2476246
Kommentar:
Der Zusammenhang zwischen Androgenentzug und kardiovaskulärem Risiko ist kontrovers: Während die meisten randomisierten Studien ein geringes oder kein Risiko für kardiovaskuläre Events gefunden haben, zeigen Beobachtungsstudien ein erhöhtes Risiko. Ein Grund für diese Differenz mag das jeweilige Studiendesign der randomisierten Studien sein. Es muss unterstrichen werden, dass das Risiko aber nicht sehr hoch ist (rund 1.4fach in einer kürzlich publizierten Metaanalyse) (1). Das höchste Risiko scheint 6 Monate nach Beginn des Androgenentzuges vorzuliegen (2).
Interessant ist die Tatsache, dass in der vorliegenden Studie Männer mit intermittierendem Androgenentzug ein höheres Risiko hatten, eine kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden als jene unter kontinuierlicher Therapie. Der Grund dürfte in der Alterierung der Gerinnungskaskade liegen (3). Nun. Was ist jetzt genau die klinische Konsequenz dieser Arbeit? Die gleichen, die wie schon anwenden: Regelmässige klinische und laborchemische Kontrollen, ausreichend körperliche Aktivität des Patienten sowie eine enge hausärztliche Kooperation, insbesondere bei Männern mit kardiovaskulärem Risikoprofil, ganz gleich, ob nun eine kontinuierliche oder aber eine intermittierende ADT vollzogen wird.
(1) Bosco C, Bosnyak Z, Malmberg A, Adolfsson J, Keating NL, Van Hemelrijck M. 2015. Quantifying observational evidence for risk of fatal and nonfatal cardiovascular disease following androgen deprivation therapy for prostate cancer: a meta-analysis. Eur Urol 68:386-396.
(2) O’Farrell S, Garmo H, Holmberg L, Adolfsson J, Stattin P, Van Hemelrijck M. 2015. Risk and timing of cardiovascular disease after androgen-deprivation therapy in men with prostate cancer. J Clin Oncol 33:1243-1251.
(3) Li S, Li X, Li J, Deng X, Li Y, Cong Y. 2007. Experimental arterial thrombosis regulated by androgen and its receptor via modulation of platelet activation. Thromb Res 121:127-134.