Molekulare Mechanismen der Therapie von Nierensteinen mittels Citrat und auch Hydroxycitrat erforscht
OBERE HARNWEGE Houston – mechentel news – Kristalline Substanzen sind für die Funktion lebender Organismen von entscheidender Bedeutung. So auch in Muschelschalen, der Knochenmatrix, den Zähnen von Seeigeln und den Exoskeletten aus Coccolithen (Kalkplättchen) bestimmter Planktonarten. Eine pathologische Biomineralisation kann jedoch einen unerwünschten Kristallisationsprozess darstellen, der mit Erkrankungen beim Menschen einhergeht (so wie bei der Nephrolithiasis). Das Kristallwachstum von biogenen, natürlichen und synthetischen Materialien kann durch die Wirkung von Modifikatoren, am häufigsten von Hemmstoffen, reguliert werden, deren Grösse von kleinen Ionen und Molekülen bis hin zu grossen Makromolekülen reicht. Inhibitoren lagern sich an die Kristalloberflächen an und behindern so die Anlagerung weiteren gelösten Materials, wodurch die Wachstumsrate des Kristalls verringert wird. Die komplexen Wechselwirkungen zwischen Inhibitor und Kristall in der Biomineralisation sind zum Grossteil nicht vollständig aufgeklärt. Die Autoren um Jihae Chung aus dem Department of Chemical and Biomolecular Engineering der University of Houston im Bundesstaat Texas, USA konnten nun zeigen, dass zwei molekulare Hemmstoffe der Kalziumoxalatmonohydrat-Kristallisation (nämlich Citrat und Hydroxycitrat) eine Wirkungsweise aufweisen, die sich von der klassischen Theorie unterscheidet: Die Anlagerung von Citrat und Hydrocitrat an die Kristalloberfläche führte in dieser Studie nicht nur zu einer reduzierten Wachstumsrate, sondern sogar zu einer Auflösung des Kristalls (!). Dieses Phänomen trat sogar in übersättigten Lösungen auf, in denen die Konzentration des Hemmstoffs um drei Grössenordnungen geringer war als jene der gelösten Substanz. Die Ergebnisse von Massenkristallisationen, der in situ Rasterkraftmikroskopie und Berechnungen nach der sogenannten Dichtefunktionaltheorie konnten qualitativ die Hypothese bestätigen, dass Wechselwirkungen zwischen Inhibitor und Kristall zu einer lokalisierten Modifikation des Kristallgitters führen. Nun ist Kalziumoxalatmonohydrat ja der Hauptbestandteil menschlicher Nierensteine und Citrat im nephrologisch-urologischen Alltag eine häufig angewendete Therapie, nicht jedoch Hydroxycitrat. Damit Hydroxycitrat zur Behandlung von Nierensteinen eingesetzt werden kann, muss es im Urin ausgeschieden werden. Die Autoren berichten, dass die Einnahme von Hydroxycitrat zu einer beträchtlichen Urinausscheidung führte. In-vitro-Untersuchungen mit menschlichem Urin haben zudem gezeigt, dass der molekulare Modifikator Hydroxycitrat als Inhibitor der Bildung von Kalziumoxalatmonohydrat-Kristallen genauso effektiv war wie Citrat. Die Autoren kommen in der August-Ausgabe 2016 des Journals Nature zu dem Schluss, dass diese Ergebnisse für eine weitere Erforschung des klinischen Potentials von Hydroxycitrat als alternative Behandlungsoption zu Citrat bei Nierensteinen sprechen. (bs)
Autoren: Chung J, Granja I, Taylor MG, Mpourmpakis G, Asplin JR, Rimer JD. Korrespondenz: Jeffrey D. Rimer, Department of Chemical and Biomolecular Engineering, University of Houston, Houston, Texas 77204, USA oder John R. Asplin, Litholink Corporation, Laboratory Corporation of America Holdings, Chicago, Illinois 60612, USA. Studie: Molecular modifiers reveal a mechanism of pathological crystal growth inhibition. Quelle: Nature. 2016 Aug 25;536(7617):446-50. Web: http://www.nature.com/nature/journal/v536/n7617/full/nature19062.html
Kommentar:
Ein interessante Arbeit, die zeigt, dass Nierensteine in ihrer kristallinen Struktur durch Hydroxycitrat nicht nur verhindert, sondern sogar aufgelöst werden können. Hydroxycitrat findet sich in der Frucht Garcinia Cambogia, welches als Extrakt auch in Kapsel erhältlich ist. Bis anhin wurde es als Mittel zur Gewichtsreduktion eingesetzt, hier mit zum Teil positivem Effekt (1).
(1) Fassina P, Scherer Adami F, Terezinha Zani V, Kasper Machado IC, Garavaglia J, Quevedo Grave MT, Ramos R, Morelo Dal Bosco S. 2015. The Effect of Garcinia Cambogia as Coadjuvant in the Weight Loss Process. Nutr Hosp 32:2400-2408.